Tod im Tal der Heiden
Leute strebten ihm zu, gingen aber höflich beiseite und ließen Fidelma und Eadulf den Vortritt. Im Vorraum erwartete sie Rudgal, der große blonde Krieger. Als sie eintraten, kam er auf sie zu und begrüßte Fidelma feierlich.
»Komm bitte mit, Schwester«, sagte er und fügte nach einem Moment hinzu: »Du auch, Bruder.«
Er führte sie durch die Tür in den Ratssaal, wo Laisre bereits in seinem Amtssessel Platz genommen hatte. Die Spuren des Fests vom vorigen Abend waren beseitigt, und vor Laisre waren Stühle im Halbkreis aufgestellt. Zur Rechten des Fürsten blieb ein Platz frei, den sonst der Tanist eingenommen hätte. Colla war offensichtlich zu seiner Untersuchung aufgebrochen. Hinter Collas leerem Stuhl saß Orla, doch ihre Tochter Esnad war nicht zu sehen.
Zur Linken stand ein Sessel, in dem sich Murgal lümmelte. Er sah so schlecht aus, wie sich Eadulf fühlte, hatte ein blasses Gesicht und rot umränderte Augen. An einem kleinen Tisch hinter ihm saß der ältliche Schreiber Mel, mit dem sich Eadulf am Abend zuvor unterhalten hatte; er hielt Griffel und Schreibtäfelchen bereit.
Fidelma wurde zu einem Stuhl in der Mitte des Halbkreises geleitet. Daneben war ein Stuhl für Eadulf aufgestellt, dahinter saßen Bruder Solin und Bruder Dianach. Die anderen Plätze wurden von den geringeren Würdenträgern von Gleann Geis eingenommen, und im Hintergrund drängten sich Leute aus dem Volk des Tals, die hören wollten, was ihr Fürst mit der Vertreterin des weit entferntenKönigs von Cashel aushandeln würde. Das Stimmengewirr war laut und erstarb erst nach dem nächsten Hornsignal.
Murgal erhob sich langsam.
»Der Rat ist nun zusammengetreten, und als Druide und Brehon meines Fürsten habe ich das Recht, als erster zu sprechen.«
Eadulf fuhr auf, überrascht von der Unhöflichkeit des Mannes, der erklärte, er werde noch vor seinem Fürsten reden. Fidelma bemerkte seine Verwunderung, beugte sich zu ihm und flüsterte: »Das ist sein Recht nach dem Gesetz, Eadulf. Ein Druide darf vor einem König sprechen.«
Murgal hatte diese Worte anscheinend nicht wahrgenommen, denn er stellte sich neben Laisres Amtssessel.
»Ihr wißt sicher, daß ich gegen diese Verhandlung bin. Mein Widerspruch möge verzeichnet werden.«
Er blickte Laisre an, der nickte und für den Schreiber Mel hinzufügte: »So wurde es gesagt, so werde es aufgeschrieben.« Er wandte sich wieder Murgal zu und gab ihm das Zeichen weiterzusprechen.
»Laisres Vorfahren haben uns gut regiert. Über die Jahre hinweg haben sie uns vor Schaden von draußen bewahrt, indem sie sich weigerten, irgend etwas mit denen zu tun zu haben, die mit Neid auf unser schönes Tal blickten. Es ist ein reiches, fruchtbares Tal. Es ist nicht verdorben. Warum? Weil wir denen den Zutritt zu ihm verboten haben, die uns Veränderungen von draußen hereinbringen wollten. Drei Jahre sind vergangen, seit wir Laisre als unseren Fürsten anerkannten, denn seine
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hatten ihn auf rechtmäßige Weise an die Spitze seiner Sippe gewählt und ihn zum Herrn über uns gesetzt.
Doch jetzt hat es mein Fürst für angebracht gehalten, nach Cashel zu schicken und um eine Gesandtschaft zu bitten zu dem Zweck, über die Einführung einer fremden Religion in unserem Land zu beraten.«
So unwohl er sich auch fühlte, das konnte Eadulf nicht unwidersprochen hinnehmen.
»Eine Religion, die alle Könige von Éireann angenommen haben und die seit über zweihundert Jahren frei in den fünf Königreichen ausgeübt wird«, spottete er, unfähig, seine Empörung zu bezähmen. »Was für eine fremde Religion!«
Ein Murmeln des Entsetzens durchlief die Versammlung, sogar Fidelma war unangenehm berührt. Murgal hatte sich verärgert zu Laisre umgewandt. Er wollte etwas erwidern, doch der Fürst hielt ihn mit erhobener Hand zurück. Laisre beugte sich in seinem Sessel vor und sagte zu Eadulf: »Dies mal werde ich deinen Ausbruch übergehen, Angelsachse, weil du fremd bist in diesem Land und seine Sitten nicht genügend kennst, um deine Zunge im Zaum zu halten. Du hast kein Recht, in diesem Rat zu sprechen. Nur weil du als Begleiter von Fidelma von Cashel reist, darfst du überhaupt in dieser Halle sitzen. Auch wenn du das Recht hättest zu sprechen, dürftest du nicht die Eröffnungsreden unterbrechen. Erst wenn die einleitenden Argumente vorgebracht wurden, werden die bevollmächtigten Delegierten über ihren Wert diskutieren.«
Eadulf errötete vor Beschämung und sank auf seinen Stuhl
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