Tod im Tal der Heiden
ihm gefällig zu sein.«
»Warum?«
»Er hat mich bezahlt.«
»Aber ein Fremder … Wäre es für dich nicht nützlicher gewesen, deine hiesigen Kunden zu bedienen als einen Fremden, der dich vielleicht nur einmal aufsucht?«
Nemon rümpfte die Nase.
»Stimmt schon. Aber Murgal begleitete ihn und sagte mir, ich hätte dadurch keinen Verlust.«
»Murgal?«
»Ja. Er brachte den Mann zu mir. Solin hieß der Mann. Jetzt fällt’s mir wieder ein.«
»Also Murgal, der Druide Laisres, brachte den Mann aus dem
rath
zu dir und bat dich … ihm deine Gunst zu erweisen?«
»Ja.«
»Hat dir Murgal einen Grund genannt, weshalb du das tun solltest?«
»Meinst du, die Leute geben mir Gründe an, weshalb sie etwas tun? Ich stelle keine Fragen, solange ich Geld für meine Dienste bekomme.«
»Kennst du Murgal schon lange?«
»Er ist mein Pflegevater. Er sorgt für mich.«
»Dein Pflegevater? Er sorgt für dich?« Fidelmas Ton wurde spöttisch. »Hast du je ein anderes Leben kennengelernt als das, was du jetzt führst?«
Nemon lachte verächtlich.
»Dir gefällt das nicht? Meinst du, ich sollte lieber so sein wie Ronans Frau da drüben? Schau sie dir an, sie ist jünger als ich, aber sieht aus, als könnte sie meine Mutter sein. Vor der Zeit alt geworden, weil sie dazu verdammt ist, beim ersten Tageslicht aufs Feld zu gehen und die Kühe zu melken, während ihr Mann seinen Rausch ausschläft. Sie muß pflügen und graben und säen und ernten, während er umherreitet und so tut, als wäre er ein großer Krieger. Er ist kein Lord, wie er behauptet, sondern bloß der Unterfürst dieser jämmerlichen Ansammlung von Hütten. Nein, ich will kein anderes Leben als das, was ich habe. Wenigstens schlafe ich in feinem Leinenzeug und so lange, wie ich will.«
Der Hohn in der Miene der Frau war deutlich.
»Doch wie ich sehe, bewirtschaftest du auch einen kleinen Hof«, warf Eadulf ein. »Da draußen stehen Kühe, die gemolken werden wollen. Wer macht diese Arbeit, wenn du es nicht tust?«
Nemon verzog das Gesicht zu einer bösen Grimasse.
»Ich halte sie nur, weil sie auch Geld wert sind. Ich würde sie jederzeit verkaufen, wenn der Preis stimmt. Sie machen zu viel Arbeit. Aber wie ich sagte, in dem Tal wird meistens Tauschhandel getrieben, also muß ich Kühe, Ziegen,Hühner, Eier und dergleichen anstelle von Geld annehmen.«
»Vielen Dank, daß du mit uns gesprochen hast«, sagte Fidelma und stand abrupt auf.
»Nichts zu danken. Ihr habt mich für meine Zeit bezahlt. Kommt wieder, wenn ihr mehr Unterhaltung braucht.«
Vor Nemons Hütte wechselte Eadulf einen schrägen Blick mit Fidelma.
»Meinst du, daß Murgal damit Bruder Solin günstig stimmen wollte?«
»Du meinst, daß er ihn bestochen hat? Er hat Nemon benutzt, um Solin dafür zu gewinnen, daß er heute vormittag bei der Farce in der Ratssitzung mitspielte?«
Eadulf nickte.
»Vielleicht«, stimmte ihm Fidelma zu. »Möglicherweise kann Bruder Solin der Erquickung nicht widerstehen, die eine Frau wie Nemon zu bieten hat. Vielleicht hat er Murgal gefragt, wo eine solche Frau zu finden sei. Murgal scheint selbst Neigungen dieser Art zu haben.«
»Du spielst auf den Zwischenfall mit der Apothekerin Marga an?«
Fidelma antwortete nicht, sondern schwang sich aufs Pferd.
Bairsech, Ronans Frau, stand noch immer vor ihrer Tür, die kräftigen Arme verschränkt, und beobachtete sie mit heftiger Abneigung, als sie gemeinsam langsam von dem Weiler weg über die Brücke in Richtung
rath
ritten.
»Ich frage mich, ob Ultan von Armagh weiß, daß sein Sekretär zu den Leuten gehört, die fleischliche Frauen besuchen?« überlegte Eadulf laut.
Fidelma blieb ernst.
»Das bezweifle ich. Ultan vertritt die neuen Ansichten aus Rom über das Zölibat von Klerikern.«
»Die werden sich nie durchsetzen«, behauptete Eadulf. »Es wird zwar immer ein paar Asketen geben, aber wenn alle christlichen Geistlichen ein solches Gelübde ablegen sollen, dann verlangt man Übermenschliches von ihnen.«
Fidelma sah ihn von der Seite an.
»Ich dachte, du billigst das Zölibat?«
Eadulf errötete, gab aber keine Antwort. »Na, wenigstens haben wir das Geheimnis gelüftet, wo sich Bruder Solin letzte Nacht aufgehalten hat«, sagte er eilig.
»Ja, aber nicht, warum. Wir werden sowohl auf Murgal als auch auf Bruder Solin ein Auge haben müssen«, erwiderte Fidelma.
Eadulf seufzte.
»Alles, was ich im Augenblick will, ist, mich ausstrecken und schlafen, bis das Hämmern in meinem Kopf
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