Tod im Tauerntunnel
Zentrale: »Der gesuchte Anschlußinhaber ist Alfons Jarosewitch, hinten mit t und ch, wohnhaft Baden-Baden, Obere Bergstraße 27.«
Für Sekunden herrscht Stille. Gächter hat den Wagen ruckartig zum Stehen gebracht.
»Verstanden?« fragt die Stimme aus dem Lautsprecher ungeduldig.
»Verstanden«, sagt Haußmann.
»Ich werd verrückt!« sagt Gächter.
»Heiligs Blechle!« sagt Bienzle.
Es ist kurz nach fünf Uhr nachmittags, als der schwarze Dienstmercedes Baden-Baden erreicht. Hier ist es noch um ein paar Grade wärmer als in Stuttgart, aber die Luft ist frischer; vom Schwarzwald her weht eine leichte Brise. Bienzle trocknet sich den Schweiß von der Stirn und atmet ein paarmal tief durch. Sie haben das Auto direkt am Kurpark abgestellt. Spaziergänger promenieren gemessenen Schritts unter den ausladenden Bäumen entlang. »Sehen alle aus wie Engländer«, sagt Bienzle.
»Fast die Hälfte aller Baden-Baden-Urlauber kommt aus Großbritannien«, weiß Haußmann.
»Und das bei der Krise, die die haben«, sagt Gächter.
Ein Paar schlendert an ihnen vorbei, sie im sportlichen Jackenkleid, er im karierten Jackett mit schick aufgesetzten Lederflecken auf den Ellbogen, ganz Lord und Lady. Da hören sie, wie der Mann zu seiner Begleiterin sagt:
»Weeßte, wenn et de Hanna mit de Kinder nich schafft, kannste nich erwarten, das se ooch noch im Jeschäft wat tut...«
»Damit könnten wir wohl unsere soziologischen Studien beenden und uns wieder dem Fall Jarosewitch zuwenden«, feixt Gächter und geht auf die Polizeidirektion zu.
Das Dienstzimmer des Kriminalhauptkommissars Walter ist geräumig und sehr viel hübscher eingerichtet als Bienzles und Gächters Bude in der Stuttgarter Dorotheenstraße. Der Blick durch das weit geöffnete Fenster geht auf alte Bäume hinaus.
»Schön hier«, sagt Bienzle neidisch.
Walter kommt gleich zur Sache. »Ihr Dr. Bäuerle ist bei uns kein Unbekannter. Wir kümmern uns immer ein wenig um unsere ständigen Spielbankgäste.«
»Ist er denn das, ein ständiger Spielbankgast?« fragt Bienzle.
»Seit Jahren. Nach Meinung unseres Informanten hat er in dieser Zeit gut und gern 100.000 Mark verspielt. Gelegentlich gewinnt er natürlich auch.«
»Haben Sie im Hotel etwas erreichen können?« fragt Bienzle.
»Ja; der Portier sorgt dafür, daß Gespräche vorderhand nicht durchgestellt werden. Übrigens habe ich dasselbe auch für Bäuerles Schwester angeordnet.«
»Ach - die ist auch hier?«
»Wußten Sie das nicht?«
»Nein, aber es wundert mich auch nicht«, sagt Bienzle, »sie wohnt auch im Hotel Brunner?«
»Ja. Zimmer an Zimmer mit ihrem Bruder.«
Ein Mädchen bringt Kaffee in hübschen blau gemusterten Tassen.
»Ich kann mir nicht helfen, aber hier ist wirklich alles einen Schuß gepflegter als bei uns«, meint Bienzle bewundernd.
Sie sitzen gemütlich in der Runde, trinken ihren Kaffee.
»Das ist einer meiner seltsamsten Fälle bisher«, sagt Bienzle. »Alles paßt zusammen, aber wir haben keinen Beweis... Kennen Sie vielleicht einen Alfons Jarosewitch?« fragt er Walter.
»Ist das nicht Ihr Toter aus dem Tunnel?«
»Nein, der hieß Knut mit Vornamen. Es könnte ein Bruder sein oder sonst ein Verwandter. Wir haben eine ganze Menge Hinweise auf ihn; er scheint so etwas wie der Mann im Hintergrund zu sein.«
»Hört sich alles ein bißchen dünn an«, meint Walter.
»Ist es auch«, sagt Gächter. »Die eigentlichen Drahtzieher sind völlig abgeschottet. Wir haben zwar den Mann, der in den letzten beiden Tagen versucht hat, zwei Frauen umzulegen, die als Zeugen interessant waren, aber er bekam seinen Auftrag von einem gewissen Fontana, und der ist inzwischen verschwunden... Bis zu ihm läßt sich alles rekonstruieren, aber dann reißt der Faden ab. Es gibt zwar kaum einen Zweifel, daß er mit Bäuerle und Alfons Jarosewitch Kontakte hatte, ja, daß er wahrscheinlich sogar von einem der beiden Aufträge erhielt, aber da ist nichts hartzumachen.«
»Wissen Sie, wo dieser Jarosewitch wohnt?« fragt Walter.
»Obere Bergstraße 27«, antwortet Haußmann eilfertig.
»Gut; dann werden wir das Haus mal ein wenig überwachen lassen... Eine Überwachung für Bäuerle und seine Schwester habe ich bereits angeordnet.«
»Vielen Dank! Aber ich fürchte, das alles bringt uns auch nicht weiter. Dieser Fall ist mit Routine überhaupt nicht zu lösen. Und Phantasie ist eigentlich mehr dein Ressort«, sagt Bienzle zu Gächter.
»Na ja…« Gächter erhebt sich schlaksig, um seine
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