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Tod im Tauerntunnel

Tod im Tauerntunnel

Titel: Tod im Tauerntunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Huby
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Schwester«, sagt Hannelore, »ich bekomm doch sonst nie Besuch.«
    »Ist das wahr?« fragt Bienzle, »haben Sie denn niemand... Ich meine, ich will nicht indiskret sein, aber...«
    »Zu solchen Fragen, die nicht direkt zum Fall gehören, verweigere ich die Aussage«, sagt Hannelore Schmiedinger.
    Bienzle schaut sie an. Es gelingt ihm, ihre Augen mit den seinen festzuhalten, und er sieht, wie sich ihre Wangen röten. Dann folgt er einem ganz plötzlichen Impuls, geht zu ihr hin, beugt sich hinab und küßt sie auf die Nasenspitze.
    »Also so was!« ruft die Schwester empört, als ob sie gerade Zeuge eines Sexualverbrechens gewesen wäre.
    Hannelore Schmiedinger sieht verwirrt zu ihm auf. Jetzt ist er puterrot im Gesicht.
    »Entschuldigung«, sagt er leise.
    Und da sagt sie doch tatsächlich: »Zugabe.«
    Aber nun traut er sich nicht mehr. Er geht zur Tür, schaut noch mal zu ihr zurück und sagt: »Morgen. Morgen werde ich Sie wieder besuchen; es gibt noch ein paar Fragen, die wir klären müssen.« Dann geht er schnell durch die Tür.
    Die Schwester folgt ihm. Jeder Schritt drückt ihre Mißbilligung aus. »Nutzen Sie immer so die Situation von kranken jungen Frauen aus?« fragt sie.
    Bienzle sieht auf sie hinab. Sie hat ein strenges Gesicht, mit verkniffenen schmalen Augen. Ihre Gesichtshaut hat einen gelblichen Schimmer.
    »Ach, Schwester«, sagt er, »Sie haben ja keine Ahnung.« Dann faßt er ihren Kopf hinter beiden Ohren und drückt ihr auf jede Backe einen herzhaften Kuß.
    Sprachlos starrt sie ihn an, dann sagt sie: »Casanova!«
    Bienzle lacht. »Schauen Sie mal aus dem Fenster, Schwester: S‘ischt Sommer, d' Sonne scheint, ond iberhaupt, 's Leba kennt schlemmer sei.«
    Dann geht er durch die Schwingtür zum Treppenhaus.
    Die Krankenschwester bleibt wie angewurzelt stehen, dann fährt sie mit beiden Händen vorsichtig über ihre Wangen, schüttelt den Kopf, sieht sich um, geht in Richtung Schwesternzimmer und macht ganz heimlich zwischen zwei Schritten eine Walzerdrehung. Ihr Gesicht hat einen zartrosa Schimmer.
    Bienzle verläßt das Krankenhaus und bummelt gemächlich hinüber zur Villa Berg, einer großen Parkanlage, in deren Mitte die Fernsehstudios des Südfunks liegen. Er muß nachdenken. Nicht weit vom belebten Kinderspielplatz setzt er sich auf eine Bank im Schatten eines ausladenden Kastanienbaums - ein Müßiggänger. Bienzle hebt einen Zweig auf und malt Kreise in den feinkörnigen Kies.
    »Was machst du denn da?«
    Ein vielleicht fünfjähriges Mädchen steht vor ihm. »Ich denke ein bißchen nach.«
    »Warum?«
    »Ja, weißt du, ich muß herausfinden, warum erwachsene Leute sich manchmal so schlimme Streiche spielen, sich ärgern, beschimpfen, manchmal sogar schlagen oder gar umbringen.«
    »Ist das dein Beruf?« Das Mädchen hat sich jetzt vor ihm mitten auf den Weg gesetzt und blickt zu ihm auf.
    »Ja, das ist mein Beruf.«
    »Das ist aber komisch.«
    »Da hast du recht«, sagt Bienzle.
    Ein etwa zehnjähriger Junge kommt, packt das Mädchen am Handgelenk und sagt sehr streng: »Komm mit - du weißt doch, daß du mit fremden Männern nicht reden sollst.«
    Das Mädchen zetert.
    »Moment mal«, sagt Bienzle, »du hast ganz recht, junger Mann, aber sieh mal her...« Er zeigt seinen Dienstausweis. »Weißt du, was das ist?«
    Der Junge blickt mißtrauisch auf die mit einem Farbbild Bienzles ausgestattete Karte. Plötzlich bekommt sein Gesicht einen angespannten Ausdruck. »Sind Sie von der Kripo?«
    »Erraten«, sagt Bienzle. Und dann: »Sag mal, du paßt wohl sehr gut auf deine Schwester auf?«
    »Muß ich ja«, sagt der Junge. »Warum?«
    »Ach, weißt du, ich sitze oder hänge gerade an einem Fall, bei dem es auch um Bruder und Schwester geht...«
    »Ein Mordfall?« fragt der Bub.
    »Ja. Aber nicht, daß du denkst, der Bruder hat die Schwester umgebracht; die beiden leben, und sie verstehen sich so gut wie ihr zwei... Aber jetzt muß ich abhauen.«
    »Schade«, sagt der Junge, und seine Schwester echot »schade...«
    Bienzle trottet zum Parkausgang. «Wenn nun aber der Bruder für die Schwester getötet hat?« fragt er sich laut.
    Eine Frau, an der er vorbeigeht, bleibt ruckartig stehen und schaut ihn entgeistert an.
    »Nichts für ungut«, sagt der Kommissar, »ich arbeite an meinem Text...« Er deutet mit dem Daumen zu den Studios hinauf.
    »Ach so!« sagt die Frau und schaut ihn plötzlich voller Bewunderung an.
    Am Parkausgang findet Bienzle ein Taxi. Er läßt sich zur Pizzeria Fontana

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