Tod im Tauerntunnel
gutgesinnten Kollegen, und Leute im Präsidium, die ihn nicht mögen, sagen, dem lauft dr Rotz rückwärts nuff - was freilich nur Schwaben verstehen.
»Was wollte Ihr Mann in Italien?« fragt Bienzle.
»Er war geschäftlich unterwegs.«
»An- oder Verkauf?«
»Das hat er mir nicht gesagt. Ich weiß nur, daß er zuerst nach Bologna und dann nach Florenz wollte.«
»Wissen Sie, mit wem er verabredet war?«
»Nein.«
»Hat er Ihnen eine Adresse hinterlassen, unter der Sie ihn hätten erreichen können?«
»Nein.«
»Das glaube ich nun nicht«, sagt Bienzle; »ein so bedeutender Geschäftsmann kann doch nicht für Tage geschäftlich verreisen, ohne zu hinterlassen, wo man ihn erreicht.«
»Ich kann's nicht ändern«, sagt sie. Und dann mit leicht angehobener Stimme: »Ach, Heini - bring mir doch einen Kaffee!«
Heini, der junge Mann, der Bienzle eingelassen hat, muß die ganze Zeit in Hörweite gestanden haben.
»Kommt gleich«, sagt er von der Tür her.
»Glauben Sie, daß jemand anders eine Ahnung haben könnte, wo er verhandeln wollte, in welchem Hotel er absteigen wollte und so weiter?« fragt Bienzle müde.
»Vielleicht das Sekretariat.«
Das klingt wie bei einem Minister oder doch bei einem Staatssekretär, denkt Bienzle; das Sekretariat... »Wissen Sie, mit wem er in den letzten Tagen in Verhandlungen stand? Hier in Stuttgart, meine ich.«
»Nein.«
»Kein Besuch?«
»Nur Freunde.«
»Zum Beispiel?«
»Ich weiß nicht, was Sie das anginge.«
»Wie alt war der selige Verstorbene?« fragt Bienzle.
Ehe sich Hedwig wundern kann, sagt sie: »Einundsechzig.«
Der Kaffee kommt. Bienzle bekommt auch eine Tasse und ist froh darüber. Es ist schon nach zwölf, und Bienzle verspürt Hunger. Er denkt an warmen Leberkäs.
»Irgend jemand muß Interesse an seinem Tod gehabt haben - und zwar einer, der sein Handwerk versteht«, philosophiert Bienzle und rührt in seinem Kaffee, »oder einer, der jemand bezahlen kann, der sein Handwerk versteht...« Und nach einer kleinen Pause: »Sie können mir wohl gar nicht helfen, Frau Jarosewitch?«
»Nein.«
»Es sieht - entschuldigen Sie - ganz so aus, als ob Sie gar kein Interesse an der Aufklärung des Mordes hätten. Sie geben sich nicht einmal Mühe, sich zu erinnern«, sagt er lahm.
»Er ist tot.«
Bienzle scheint es, als ob sie dabei ein wenig gelächelt hätte. Er steht auf und sagt: »Ich werde wohl in ein paar Tagen wiederkommen, vielleicht auch früher. Dann weiß ich mehr. Und dann werde ich Ihnen ganz andere Fragen stellen.«
Sie sieht ihn verständnislos an.
Schön, aber dumm, denkt er und ist sicher, daß sie sich nicht verstellt. Er packt seinen hellen Mantel, nickt ihr zu, sagt »ich finde raus«. An der Tür steht die Dogge und knurrt.
»Vorsicht!« sagt der junge Mann.
Bienzle geht auf den Hund zu, krault ihn hinter dem Ohr, faßt ihn unter der Schnauze und sieht ihm in die Augen. »Das wäre der erste Hund, der mich beißt«, sagt er und verläßt die Villa.
Vorbei an den Prachtbauten rollt sein Wagen durch die enge Villenstraße talwärts. Da rechts liegt das Haus des berühmten Bildhauers, dessen ›Platzmale‹, bunte Plastiken, in der Stadt herumstehen, als ob sie dem hochragenden Beton etwas anhaben könnten. Unter einer riesigen Kastanie steht ein Telefonhäuschen. Bienzle ruft Gächter an.
»Schick mal einen, der das kann, hier rauf; er soll den Schuppen der seligen Witwe beobachten. Ich will wissen, wer kommt und geht. Ich bleib hier, bis er da ist.«
Auf der anderen Straßenseite steht eine Bank. Bienzle setzt sich in die Sonne und ärgert sich, weil er Gächter nicht gesagt hat, der Kollege soll ihm etwas zu essen mitbringen. In den Zweigen sitzen zwei Vögel und zwitschern sich zu. Die Sonne scheint auf Bienzles Beine; er streckt sich wohlig aus und zündet sich eine Schimmelpenninck Febrero an. Jede Woche versucht er andere Zigarren und Zigarillos und kehrt immer reumütig zu den Vierzigern in der Blechschachtel zurück.
Ein Volvo kommt den Weg heraufgeschossen. Zu schnell für diese Straßenführung. Bienzle blinzelt und notiert sich die Nummer im Kopf.
Kaum ist das Auto außer Sichtweite, da hält es auch schon mit quietschenden Bremsen. Könnte vor Jarosewitchs Haus sein, denkt Bienzle. Er summt vor sich hin: »Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt...« Er denkt an zu Hause. An das Dorf mitten im Wald, an Heu, an Most, Schwarzbrot und Speck. »Lange Sommernächte, lange Gräser«, sagt er vor sich hin, ohne
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