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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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den Armen, verlor das Gleichgewicht
und stürzte fluchend. Das Kästchen sprang auf, und
Gewürze, Steine und Kräuter verteilten sich über
das schmutzige Pflaster. Rasch raffte der Mann seine
Habseligkeiten zusammen. Das Schwein entkam indes quiekend hinter
einen Pferch und war nicht mehr zu sehen. Nach ein paar Schritten
war Andreas bei dem Gestürzten und reichte ihm die Hand.
    Die Vogelscheuche ergriff sie – und riss den Priester zu
sich hinab in den Schlamm. »Du verdammter Pfaffe!«,
keifte sie. »Du hast mich um meine Sau gebracht.« Sie
versetzte dem Geistlichen harte Knüffe und Püffe. Die
Amulette an seinem Körper vollführten einen irrsinnigen
Tanz.
    Andreas versuchte, sich zu wehren und sich dem Griff der
Vogelscheuche zu entwinden, was ihm nur mit größter
Mühe gelang. »Verzeiht bitte«, stammelte er.
»War das Euer Tier?«
    »Es hätte mir gehört, wenn du nicht
dazwischengekommen wärest«, zischte der am Boden
Liegende.
    Andreas rappelte sich auf. Sein Priesterrock war über und
über mit Kot beschmiert, und er stank erbärmlich.
Angewidert schaute er zuerst an sich herab und dann auf den
zerlumpten Mann. »Ihr seid Johannes Dulcken?«
    »Warum willst du das wissen, Pfaffe?«
    »Kennt Ihr Ludwig Leyendecker?« In den Augen des
Gestürzten funkelte es böse. »Lass ihn in
Unfrieden ruhen!«
    »Ihr wisst, dass er tot ist?«
    »Hab es mit Freuden vernommen«, brummte Dulcken,
stand auf und rückte sein hölzernes Kästchen vor
dem Bauch zurecht. »Was willst du von mir?«
    Andreas wich einen Schritt zurück, weil er
befürchtete, Dulcken könne sich auf ihn stürzen.
Der Blick des Mannes war irr vor Hass. »Nur einige
Auskünfte«, beeilte sich Andreas zu sagen, griff an
den Gürtel unter seinem Rock und zog einen kleinen
Geldbeutel hervor. Er nahm einen Schilling heraus und zeigte ihn
Dulcken. Eigentlich durfte sich Andreas ein solch wertvolles
Geschenk gar nicht leisten, denn dafür hätte er einen
ganzen Mantel kaufen können. Doch einerseits tat ihm die
Gestalt vor ihm Leid, andererseits fühlte er sich dafür
verantwortlich, dass Dulcken die Sau entwischt war, auch wenn es
sich bei dem Tier wohl um Diebesgut gehandelt hatte. So wie
Dulcken aussah, hätte er sie allerdings nicht um den Gewinn,
sondern zum schieren Überleben gebraucht.
    Dulcken sah das Geldstück gierig an. »Was sollen
das für Auskünfte sein? Soll ich dir für so viel
Geld verraten, wo Gott wohnt?« Er grinste und
entblößte dabei wunderbar weiße,
ebenmäßige Zähne.
    Andreas gab ihm den Schilling und band seinen schlecht
gefüllten Geldsack wieder an den Gürtel.
    Dulcken betrachtete die Münze; es wirkte, als wolle er
sie einstecken und verschwinden. Doch er blieb stehen. Mit
zusammengekniffenen Augen sah er den Geistlichen an.
»Nun?« Die frischen grünen Blätter der
Linden warfen seltsame Schatten auf die zerlumpte Gestalt. Sie
schien im Licht des Frühlings zu schwimmen.
    »Ihr wart Weinhändler?«
    Dulcken steckte die Münze schnell wie ein Taschenspieler
weg und lächelte wehmütig. Er wurde freundlicher.
»Ich danke Euch vielmals. Ja, ich war Weinhändler.
Einer der bedeutendsten sogar. Meine Weine waren im ganzen Norden
berühmt, und ich habe halb England beliefert.« Er
richtete sich auf und wischte sich mit dem Handrücken
über den Mund. In seine Augen kam ein Funkeln, das von
vergangener Größe zeugte. »Man wusste, dass man
Qualität kaufte, wenn man mich als Lieferanten hatte.«
Seine Stimme ging beinahe im Blöken einer Schafherde unter,
die soeben an ihnen vorbeigetrieben wurde.
    »Kommt«, meinte Andreas. »Wir gehen zur
alten Mauer. Dort ist es ruhiger.«
    Sie schlenderten nebeneinanderher: der Geistliche und der
Bettler, beide bespritzt mit Schlamm und Kot. Die Gassenjungen
und Treiber riefen hinter ihnen her, und einer warf sogar eine
verfaulte Rübe nach ihnen. Sie fiel neben den beiden auf das
Pflaster und zerplatzte mit einem dumpfen, hässlichen
Geräusch.
    Wie ein Symbol für etwas, das auf mich zufliegt und mir
gar nicht gefallen wird, dachte Andreas plötzlich. Er zog
Dulcken in die kleine Gasse; Lärm und Aufruhr des
Viehmarktes blieben hinter ihnen zurück.
    »Was wisst Ihr über Ludwig Leyendeckers
Tod?«, fragte Andreas ohne Umschweife.
    »Er hat sich umgebracht, weil er die Qualen des
Teufelspaktes nicht mehr ertragen konnte«, antwortete
Dulcken sofort und setzte einen Ausdruck des Ekels auf.
    »Glaubt Ihr an diesen

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