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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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herausfordernd an und machte einen Schritt auf
ihn zu. Elisabeth stellte sich rasch zwischen die beiden.
    »Begreift Ihr denn nicht das Leid einer
Schwester?«, sagte sie zu Krantz und schenkte ihm einen
schmerzerfüllten Blick. »Wir wollen doch nur etwas
über Ludwigs Stellung im Rat und seine Beziehungen zu den
anderen Ratsherren erfahren.«
    »Vielleicht hättet Ihr Euch früher dafür
interessieren sollen«, meinte Krantz. »Ich erinnere
mich nicht, dass Ihr je für Euren Bruder so viel
Aufmerksamkeit übrig hattet wie nach seinem Tode.«
Elisabeth traten Tränen in die Augen. Sie schluckte.
    Mit zwei Schritten umrundete Andreas Elisabeth und versetzte
Krantz eine Maulschelle. Es klatschte wie ein Peitschenhieb.
    Als er die schmerzende Hand zurückzog, blieb ihm das Herz
vor Schrecken über seine Tat fast stehen. Er kannte sich
selbst kaum noch.
    Einen Augenblick lang standen alle drei wie versteinert da.
Auf Krantz’ Gesicht wechselten sich Zorn, Verwunderung und
Scham ab. Die Luft knisterte. Die Geräusche der Stadt, das
Wagenklappern, Hufgetrappel, Rufen, Hämmern, waren wie durch
ein dickes Tuch erstickt.
    Krantz war der Erste, der die Worte wieder fand. »Ich
entschuldige mich für meine Äußerung«,
sagte er leise. »Aber ich kann Euch nicht viel über
das sagen, was Ihr wissen wollt.«
    »Gibt es denn jemanden, den wir fragen
können?«, wollte Elisabeth wissen. Sie entspannte sich
und trat neben Andreas, der sich nun die immer noch schmerzende
Hand rieb.
    Krantz konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er
Andreas ansah. Dieser spürte, wie wieder der Zorn in ihm
hochstieg, doch er riss sich zusammen.
    »Wenn Ihr es wagt, könnt Ihr Ulrich Heynrici
aufsuchen. Er hat damals die Position der Stadt Köln vor dem
Hansetag vertreten und dabei eng mit Ludwig Leyendecker
zusammengearbeitet. Wenn jemand etwas über Euren Bruder
weiß, so ist er es.«
    »Wo können wir ihn finden?«, fragte
Andreas.
    »Bei den Toten und den Sterbenden.«
     
    Aus dem Stall des Pastorats hatte Andreas zwei Apfelschimmel
ausgeborgt. Pastor Hülshout war zwar zuerst nicht
einverstanden gewesen, aber als Andreas ihm erklärt hatte,
wen sie besuchen wollten, hatte sich Hülshouts Miene
aufgehellt.
    »Ulrich Heynrici, den Heiligen?«, hatte er erfreut
gesagt, während er sich in der Sakristei das Messgewand
überzog. »Das ist natürlich etwas anderes.
Überbringe ihm meine besten Wünsche. Und nimm die
Pferde, mein Junge. Rede mit diesem heiligsamen Mann, und
versuche, dir an ihm ein Vorbild zu nehmen.« Hülshout
entband ihn sogar von der Messverpflichtung für diesen Tag,
falls Andreas es auf dem Rückweg nicht mehr schaffte, die
Stadttore vor dem Schließen zu erreichen.
    Elisabeth hatte unbedingt mitkommen wollen. »Es ist gut,
wenn ich eine Weile aus dem Haus bin«, hatte sie gesagt.
»Je länger die Reise dauert, desto besser. Und in
Begleitung eines Geistlichen darf ich wohl fort.«
    Nun näherten sie sich zu Pferd der Ehrenpforte. Es war
ein kalter Frühlingstag. Der Wind hatte auf Ost gedreht und
trieb weiße Schäfchenwolken über den stahlblauen
Himmel. Am Tor wollten sie absteigen, doch die Torwächter
winkten sie durch. Ein geistliches Gewand bewirkte so
manches.
    Unmittelbar hinter dem Tor begannen die Felder und Wiesen. Die
Weite der Äcker, der fernen Waldstücke, des endlosen
Himmels beängstigte Andreas. Auf Reisen über Land,
unter dem freien Himmel, schien es kaum mehr Begrenzungen zu
geben. In der Stadt wusste man, wohin man sich zu wenden hatte;
man kannte die Wege, die Gefahren und die Annehmlichkeiten. Doch
hier draußen lag eine andere Welt.
    In der Ferne sah er eine aufgeregte Schafherde und einen
großen schwarzen Hund, der die Tiere zusammentrieb.
    Er schaute hinüber zu Elisabeth, die schweigend neben ihm
ritt und tief in Gedanken versunken schien. Sie hatte die
dünnen Lippen zusammengekniffen, sodass sie nur mehr einen
Strich bildeten. Andreas kannte Elisabeth seit Jahren, doch nie
war er so häufig und nah mit ihr zusammen gewesen wie in den
letzten Tagen. Etwas Seltsames umwebte sie. Hülshouts dunkle
Andeutungen gingen ihm nicht aus dem Kopf. Sie war eine mutige
und entschlossene Frau, doch kannte er sie wirklich?
    Andreas fragte sich, was sie am Ende ihrer Reise erwarten
würde. Sie waren auf dem Weg nach Melaten, dem Leprosenhaus
vor den Toren der Stadt. Ratsherr Krantz hatte ihnen gesagt,
Ulrich Heynrici habe sich nach seinem

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