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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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nicht
eingefallen war. »Das würde bedeuten, dass wir auf dem
Holzweg sind«, brummte er und kratzte sich am Kinn.
    Heynrici schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. Ich
glaube jedoch nicht, dass der Mord – wenn es denn wirklich
einer war – etwas mit Ludwigs Rolle bei der starren Haltung
des Kölner Rates im Englandstreit zu tun hat. Es gibt da
noch eine andere Möglichkeit.« Er verstummte und
schien in sich hineinzuhören. Dann umspielte ein feines
Lächeln seine Lippen. Inzwischen wurde es draußen
bereits dunkel; die Schatten in dem kleinen, büchervollen
Zimmer verdichteten sich. Andreas und Elisabeth schauten ihn
erwartungsvoll an und rührten sich nicht.
    Der alte Mann fuhr fort: »Es ist noch nicht lange her,
da war Ludwig hier bei mir. Er begleitete seinen Kutscher, der
ein Fass Moselwein als Spende nach Melaten brachte. Ludwig hat
nie viel Aufhebens von seinen vielfältigen Spenden gemacht,
doch er hat geholfen, wo er konnte. Sonst war er immer
fröhlich, aber an jenem Tag wirkte er betrübt. Ich
fragte ihn, warum er so schweigsam sei, doch er wollte mir den
Grund dafür nicht nennen. Er war kurz vorher wohlbehalten
von einer recht gefährlichen Englandreise zurückgekehrt
und hatte wieder einmal gute Geschäfte gemacht, wie er mir
sagte, aber Freude darüber wollte bei ihm nicht aufkommen.
Er deutete lediglich an, dass er in London Dinge erfahren habe,
die ihn entsetzten. Möglicherweise im Stalhof, der dortigen
Vertretung der hansischen Kaufleute.«
    »Habt Ihr eine Ahnung, worum es sich dabei handeln
könnte?«, fragte Elisabeth.
    »Nein, er wollte mich nicht ins Vertrauen ziehen. Es
muss etwas Schreckliches gewesen sein, denn so hatte ich ihn noch
nie gesehen. Vielleicht hatte er sich vorgenommen, mit mir
darüber zu sprechen, es dann aber doch nicht getan. Ihr seid
doch seine Schwester, Elisabeth Bonenbergerin. Ist Euch nichts an
ihm aufgefallen?«
    Elisabeth wurde rot. »Ich hatte ihn seit seiner
Englandfahrt nicht mehr gesehen. Er und mein Gemahl standen nicht
auf gutem Fuß miteinander, sodass unsere Besuche leider nur
selten waren. Ich konnte bloß einmal nach der Messe in
Sankt Kolumba mit ihm reden, und da machte er auf mich einen
gehetzten Eindruck. Wenige Tage später war er tot.«
Sie barg den Kopf in den Händen.
    »Ich weiß nicht, was ihm in England widerfahren
ist, aber vielleicht hat es etwas mit seinem Tod zu tun«,
sagte Heynrici nachdenklich. »Ich hatte ihn zum Reden
nötigen wollen. Leider ist es mir nicht gelungen. Das werde
ich mir nie verzeihen. Vielleicht hätte ich ihn retten
können. Manchmal verfolgt mich sein verängstigter Blick
bis in den Schlaf.«
     
    Andreas schaute aus dem Fenster der Herberge von Melaten. Es
war zu spät für die Rückreise nach Köln
geworden. Er und Elisabeth hatten zwei kleine Zimmer erhalten,
denn das Gasthaus war völlig leer. Sonst wurden die Kammern
mit mehreren Gästen belegt. Ein wenig hatte Andreas gehofft,
das wäre auch an diesem Tag so gewesen. Andreas hätte
gern ein Gemach mit Elisabeth geteilt, wie er sich selbst
eingestehen musste. Er spürte, dass sein Gesicht rot wurde.
Seine Hände zitterten. Als Geistlicher durfte er keine
fleischlichen Regungen haben; er hatte seinen reinen Körper
Gott geweiht. Aber warum hatte Gott dem Menschen den
Geschlechtstrieb mitgegeben, wenn er etwas so Schlechtes war, wie
es die Gelehrten zu beweisen suchten?
    Andreas’ sündige Gedanken wurden abgelenkt, als er
plötzlich einen Schatten neben der Kirche in Richtung der
Siechenhäuser huschen sah. Ganz kurz nur beschien der Mond
die nächtliche Gestalt. Ein weißer Bart blitzte
auf.
    Was machte Heynrici so spät noch dort draußen?
    Wenige Augenblicke später hörte Andreas einen
schrecklichen Schrei, der in ein grässliches Gurgeln
überging. Es hörte sich an, als werde einem der armen
Siechen eines seiner verfaulenden Glieder bei lebendigem Leibe
herausgerissen. Andreas schlug das Herz bis zum Halse. Er
lauschte angestrengt, aber nun war wieder alles still.
Totenstill.

 
ZEHN
     
     
    Heinrich Bonenberg warf ihr von der Seite her merkwürdige
Blicke zu, doch er näherte sich ihr nicht. Elisabeth hatte
ihm gesagt, sie sei immer noch unrein. Sie hatte keine Ahnung,
welche Ausrede sie in einer Woche benutzen sollte, vor allem,
weil sie ihrem Gatten dann kaum mehr aus dem Weg gehen
konnte.
    Sie würde enger denn je an ihn gekettet sein, denn sie
wollte mit ihm nach London

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