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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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wollt…«
    »Wir können ja morgen wieder kommen«, schlug
Elisabeth schnell vor.
    »Vielleicht habt Ihr dann die Gelegenheit bereits
verpasst«, lachte der Wirt und hielt sich den Bauch.
»Wenn Ihr von Felix Streuvels etwas erfahren wollt,
müsst Ihr ihm auch etwas geben. Zum Beispiel die ehrende
Anwesenheit zweier wunderschöner, junger Pilgerinnen. Ich
mache Euch einen Sonderpreis, und Ihr beiden bekommt eine Kammer
ganz für euch allein. Einverstanden?«
    Was blieb den Frauen anderes übrig? Sie nickten und
packten ihre Pilgerstäbe so fest, als wären es
Schwerter. Anton nickte ihnen aufmunternd zu. »Ich bleibe
hier unten. Macht Euch keine Sorgen um mich. Ich komme schon
zurecht.« Er grinste.
    Der Wirt führte die beiden Frauen unter das Dach und wies
ihnen eine enge, fensterlose Kammer zu. Licht fiel nur durch die
Spalten zwischen den Dachziegeln. Talglichter oder gar eine Kerze
gab es nicht. »Gute Ruh«, sagte der Wirt und
ging.
    Das Tageslicht, das durch die Ritzen fiel, reichte gerade noch
aus, um das breite, abgeschabte Bett und die offenbar mit Stroh
gefüllte Matratze erkennen zu können. Das Laken aus
grobem Leinen war nicht sonderlich sauber.
    Als die beiden Frauen züchtig nebeneinander lagen und das
Licht des Tages endgültig der Dunkelheit gewichen war,
hörten sie von nebenan eindeutige Geräusche. Ein Bett
knarrte, Keuchen und Stöhnen einer Frau mischte sich mit dem
Grunzen eines Mannes.
    »Ob das Anton ist?«, flüsterte Anne mit
tiefer Abscheu in der Stimme. »Hättest du gedacht,
dass er öfter hier verkehrt? Ich hatte ein ganz anderes Bild
von ihm.«
    »Ich auch«, gab Elisabeth zu. »Es macht mir
immer Angst, wenn ich mich in einem Menschen so täusche. Er
wirkte so lieb und unreif. So unschuldig und nett.«
    »Was für ein Jammer«, flüsterte
Anne.
    Elisabeth hatte es schon seit einiger Zeit vermutet. Ihre
Freundin schien ein Auge auf den schüchternen Jüngling
geworfen zu haben, doch heute Abend hatte sie eine bittere
Enttäuschung erlebt. Elisabeth verstand die Männer
nicht. Sobald sich ihnen ein Weiberrock näherte, verloren
sie den Verstand, oder besser: Sie dachten dann nur noch mit dem
Körperteil, der den Frauen fehlte.
    Nebenan war man zum quiekenden und kreischenden Höhepunkt
gekommen, nun war Ruhe eingekehrt. Elisabeth drehte sich so weit
wie möglich von Anne weg, die wieder ihr Nachtgewand
übergestreift hatte. Ein saurer Geruch stieg Elisabeth in
die Nase. Es war ihr eigener. Allmählich wurde es Zeit, dass
sie sich wusch. Aber wo sollte sie das unbeobachtet in einem
solchen Haus tun? Sie hatte das Gefühl, dass sich eine
Schlinge immer enger um ihren Hals zog. Als sie an Anton dachte,
beschlich sie ein merkwürdiges Gefühl. Er war nicht
ganz der Mann, für den sie ihn gehalten hatte. Was war, wenn
sie sich völlig in ihm getäuscht hatten? Wer war er in
Wirklichkeit?

 
ZWANZIG
     
     
    Der Weg zum Tod fiel Andreas immer noch schwer. Spät am
Abend, er war schon zu Bett gegangen, hatte Grete, die alte Magd,
ihn geweckt und ihm mitgeteilt, dass eines seiner Pfarrkinder,
eine Witwe von beinahe achtzig Jahren, im Sterben lag und nach
der letzten Ölung verlangte. Andreas hatte sich rasch
angezogen, den neuen Familiaris geweckt und war mit ihm in das
nächtliche Köln eingetaucht. Das Haus der Witwe befand
sich in der Breiten Straße, doch diese war nach Einbruch
der Dunkelheit mit einer Kette abgesperrt, sodass Andreas einen
Umweg über die Glockengasse machen musste. Odilo, der
Familiaris, leuchtete ihm mit der Laterne und führte ihn
durch die stillen, finsteren Straßen. Nur ganz vereinzelt
sah man hinter Fenstern und Häuten den flackernden Schein
von Kerzen oder Talglichtern. Die Umrisse der hohen
Steingebäude erinnerten an angefeilte Zähne,
während die kleineren Fachwerkbauten, deren Fassaden in der
Finsternis zu einer einförmigen Masse geworden waren, wie
Zahnlücken in einem fauligen Gebiss waren.
    Weit vorn tanzte ein Licht zwischen den Mauern der
Glockengasse. Es kam näher. Andreas verlangsamte seinen
Schritt. Der Familiaris bemerkte es und wartete auf den jungen
Geistlichen. Andreas blieb neben ihm stehen. Es war sehr still in
dieser Nacht, nicht einmal der Lärm des Wirtshauses an der
Herzogstraße war zu hören. Es war, als sei diese Nacht
aus Raum und Zeit gefallen. Nur das Licht da vorn tanzte
über dem unebenen Pflaster und spiegelte sich in der Gosse.
Es kam näher.
    Langsam

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