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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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geladen. Wie
Ameisen liefen die Schauerleute auf das Schiff zu, vertäuten
es und schwärmten aus, um die Ladung zu löschen. Der
Kapitän verließ mit langen, majestätischen
Schritten sein Schiff und unterhielt sich unter großen
Gesten mit dem Maat. Anton zwinkerte seinen beiden Pilgerinnen zu
und ging auf den Schiffsführer zu. Er sprach ihn an, und die
beiden Frauen sahen, wie sich eine lange Verhandlung anzubahnen
schien. Doch dann kehrte Anton niedergeschlagen zurück.
»Wieder nichts«, sagte er. »Dieser Holk
fährt zwar rheinaufwärts, aber nur bis Nijmwegen. Das
bringt uns gar nichts.« Während er sich mit Elisabeth
und Anne unterhielt, lief eine Gruppe Seeleute des englischen
Schiffes an ihnen vorbei und stürzte sich in das Gewirr der
engen Gassen von Dordrecht. Anton sah ihnen kurz nach – und
verstummte.
    »Was ist los?«, fragte Elisabeth.
    Anton rieb sich die Augen, schaute vor und zurück und
schüttelte den Kopf. »Ach, nichts, ich hatte geglaubt,
ein bekanntes Gesicht gesehen zu haben.«
    »Einen Freund?«, fragte Anne neugierig und
schenkte Anton ein zartes Lächeln.
    »Nein, nein…« Anton zauderte. »Ach,
ich habe wohl einen falschen Blick getan.«
    »Was machen wir nun?«, fragte Elisabeth und
stützte sich auf ihren Pilgerstab. »Ich habe ein
ungutes Gefühl – das Gefühl, zu spät zu
kommen.«
    »Wir könnten uns zu Fuß auf den Weg machen
– den Rhein entlang«, schlug Anton vor.
    »Du hast selbst gesagt, dass wir in diesem Fall ein paar
Wochen unterwegs sein werden.«
    »Nicht, wenn wir uns einem Handelszug
anschließen«, gab Anton zu bedenken. »Diese
Züge sind mit Pferden und Wagen unterwegs, und
außerdem sind sie gut bewacht, sodass es eine sichere Reise
wäre. Dann sind wir eine oder höchstens zwei Wochen
unterwegs.«
    »Wie kommen wir an einen solchen Zug?«, fragte
Anne.
    »Ich habe da eine Idee…«, murmelte
Anton.
     
    Sie schlugen ihr Quartier in einer anderen Herberge auf. Anton
entschuldigte sich bei den Damen, dass das Haus keinen sonderlich
guten Ruf hatte, doch der Wirt kannte einfach jeden Kaufmann in
der Stadt und wusste immer, wer gerade zu einer Handelsreise
aufbrach und wer zurückerwartet wurde.
    Leider gehörte sein Haus zu jenen, die man
öffentlich nennen konnte. Als die beiden angeblichen
Pilgerinnen den dunklen, lärmigen und stinkenden Schankraum
des steinernen Giebelhauses betraten, setzte Gejohle und Gepfeife
ein, das sie beinahe taub machte. Auch Anton konnte nichts
dagegen tun. An langen Tischen saßen zechende und dobbelnde
Seeleute, viele hatten Weibsbilder auf dem Schoß, die den
beiden Damen recht liederlich vorkamen. Der Wirt lief auf die
Gruppe zu und erkannte Anton sofort. Er grinste Elisabeth und
Anne an und meinte: »Habt Ihr Euch wirklich den rechten Ort
für diese frommen Frauen ausgesucht, Meister
Lautensack?«
    »Manchmal muss man Dinge in Kauf nehmen, wenn man
dafür andere Dinge bekommt, auf die man großen Wert
legt«, antwortete Anton recht weltmännisch. Elisabeth
musste grinsen. Anton hatte einen Seitenblick auf Anne geworfen,
die ihn ebenfalls amüsiert, doch zugleich warmherzig ansah.
Anton fuhr fort: »Diese beiden Pilgerinnen in meiner Obhut
sind auf dem Weg nach Köln. Wisst Ihr, wann der nächste
Kaufmannszug dorthin aufbricht?«
    »Nach Köln? Na, heute zumindest nicht mehr.«
Der Wirt lachte so schallend, dass sein gewaltiger Bauch
erzitterte und plötzlich ein Eigenleben zu führen
schien. »Ich kann Euch gern Quartiere geben – zum
Vorzugspreis, da Ihr einer meiner besten Kunden seid.«
    Elisabeth horchte auf. Anton war so gut in diesem Haus
bekannt? Das hätte sie nie erwartet. Er wirkte so jung und
unerfahren. Vielleicht hatte sie sich in ihm getäuscht.
Gewaltig getäuscht.
    »Ihr wisst doch bestimmt, wer sich bald auf die Reise
nach Köln macht«, beharrte Anton. Inzwischen musste er
brüllen, denn in dem Lärm der Schankstube hätte
ihn der Wirt sonst nicht mehr verstanden. Mägde liefen mit
irdenen Krügen umher, gossen überall Wein und Bier nach
und boten andere Dienste an. An einem der Tische in der
dunkelsten Ecke keuchte plötzlich einer der Männer laut
und lustvoll auf, und die anderen lachten ohrenbetäubend
laut und donnerten ihre Humpen auf die Holzplatte. Elisabeth
schüttelte sich, und auch Anne verzog das Gesicht in
Abscheu.
    »Ich weiß es nicht, aber morgen kann ich es in
Erfahrung bringen. Wenn Ihr so lange hier bleiben

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