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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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stellte sich breitbeinig vor ihn, stemmte die Hände in die
Hüften und fragte: »Was verschafft mir die Ehre Eures
Besuches?«
    »Ich möchte mit Euch über einen gemeinsamen
Bekannten von uns reden.«
    Sie hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Die Kerzen an den
Wänden des Weinkellers warfen zuckende Schatten auf ihr
Gesicht. Tief hinten, in den Schatten, lagerten die Fässer,
die über Wohlstand oder Untergang entscheiden konnten. Edle
Weine vom Rhein, der Mosel, aus dem Badischen, aber auch aus
Frankreich hatten den Ruhm und Reichtum des
Leyendecker’schen Hauses begründet. Es hatte den
Anschein, als wolle sie allein das Geschäft
weiterführen.
    »Ich habe in der letzten Zeit oft an Johannes Dulcken
denken müssen«, begann Andreas und hielt inne. Noch
immer schwieg sie. Kein Muskel zuckte in ihrem Gesicht; nichts
gab ihre Gedanken preis.
    »War er zufällig vor kurzem bei Euch?«
    »Warum fragt Ihr das? Sucht Ihr immer noch den
angeblichen Mörder meines Gatten?«
    »Ihr habt meine Frage nicht beantwortet.«
    »Muss ich das?«
    »Ihr habt keine Verpflichtung, mir Rede und Antwort zu
stehen. Aber vielleicht seid Ihr bereit, mit dem besten Freund
Eures verstorbenen Mannes zu reden.«
    Barbara Leyendeckers dunkelbraune Augen sprühten Feuer.
»Darf ich nicht mehr selbst entscheiden, mit wem ich reden
will?«
    Andreas wand sich vor Unbehagen. »Natürlich
dürft Ihr das. Ich habe mich bloß gewundert, was ein
so armer Schlucker wie Dulcken bei einer so mächtigen und
reichen Frau wie Euch zu suchen hat. Wie ich hörte, hat Euer
Mann ihn ruiniert. Werdet Ihr ihm helfen?«
    Barbara lächelte. »So kann man es
ausdrücken.«
    »Und wer war der Mann, der bei ihm war?«
    »Bei ihm?« Eine beißende Kälte war in
Barbara Leyendeckers Stimme gekrochen. »Habt Ihr mir
nachgeschnüffelt?«
    »Also gebt Ihr zu, dass Dulcken nicht allein bei Euch
war. Ja, ich habe gesehen, wie er zusammen mit einem
stämmigen Mann des Nachts in Euer Haus gegangen ist. Ich war
zufällig in der Nähe.«
    »Natürlich! Ganz zufällig! Was ist mit dir
los, Pfäfflein? Du hast mir noch nie behagt. Ich war immer
gegen Ludwigs Freundschaft mit dir. Vielleicht hast du ihn ja
selbst auf dem Gewissen mit deinen moralischen Reden. Vielleicht
willst du nur von eigenen Sünden ablenken, indem du dort
Missetaten siehst, wo keine sind, und unschuldige Menschen in
Verruf bringst!« Jedes Wort war wie ein Peitschenschlag
für Andreas. Barbara war laut geworden; das Echo des
Weinkellers warf ihre Beschuldigungen vielfach zurück. Die
Fässer waren auf einmal wie schlafende, sich im Traum
regende Riesen, die jederzeit erwachen und ihn überrollen
konnten. Er sah die Schöpfkellen, die wie kleine Arme auf
den Fässern lagen oder eher aus ihnen herauszuragen
schienen; er sah die Krüge – gleich Warzen oder
Geschwüren. Der Wein in den Fässern war zur Essenz
böser Träume geworden. Andreas wurde immer kleiner. Er
wandte sich zum Gehen und hatte Barbara Leyendecker schon den
Rücken zugekehrt, als sie plötzlich sagte: »Du
hast Recht, Dulcken war bei mir.«
    Andreas drehte sich verblüfft um. Die Leyendeckerin
grinste ihn an. »Was willst du nun damit anfangen,
Pfäfflein?«, höhnte sie.
    »Nichts, weil ich den Grund für diesen Besuch noch
nicht kenne.«
    Das Grinsen der Leyendeckerin wurde noch breiter. »Hast
du wirklich geglaubt, dieser Besuch hätte etwas mit Ludwigs
Tod zu tun?«
    Andreas druckste herum. »Ja, also… nein…
das heißt…«
    »Du hast Recht. Es hatte etwas mit Ludwigs Tod zu tun.
Sein Ableben war nämlich der Grund für diesen
Besuch.«
    Nun war es an Andreas, ein fragendes Gesicht zu machen.
    Barbara Leyendecker fuhr fort: »Johannes Dulcken will
mein Handelshaus übernehmen. Zwar bin ich nach den Gesetzen
unserer Stadt dazu berechtigt, mein Haus allein zu führen,
aber du hast keine Ahnung, wie schwer es für eine allein
stehende Frau ist, sich im Geschäftsleben zu behaupten. Die
Verhandlungen mit den Winzern, die Transporte, der Verkauf der
Fässer, die Überwachung der Handelsgehilfen, die
Kontore in London und Brügge – all das wird mir zu
viel. Kurz: Ich will verkaufen.«
    »An Dulcken?«, wunderte sich Andreas.
    »Warum nicht? Er hat große Ahnung vom Weinhandel
und allem, was damit zusammenhängt.«
    Andreas erinnerte sich an die Kniffe und Schliche, die Dulcken
ihm gegenüber erwähnt hatte, um den Wein besser und
damit wertvoller zu machen. »Das glaube

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