Tod im Weinkontor
ich gern. Aber er
hat kein Geld. Womit will er zahlen? Euer Haus ist sicherlich
eine schöne Summe wert.«
»Das will ich meinen!« Barbara Leyendecker stellte
sich vor das liegende Fass rechts neben ihr, öffnete den
kleinen Deckel und schöpfte mit der Kelle ein wenig von der
kostbaren Flüssigkeit in den bereitstehenden Krug. Daraus
goss sie sich und Andreas je einen Becher ein. Sie hielt den
Becher mit beiden Händen, nickte langsam, schien die
Temperatur des kostbaren Saftes als richtig anzusehen. Dann hob
sie den Becher an die Nase und schwenkte ihn ein wenig, damit die
feinen Düfte aufstiegen. Schließlich kostete sie
vorsichtig und lächelte. »Versucht ihn. Dann werdet
Ihr den Himmel offen sehen.«
»Ich muss doch sehr bitten«, sagte Andreas, als er
den Becher entgegennahm und davon probierte. Es war ein
wunderbarer Weißwein, der nie eine Honigwabe oder einen
anderen Zusatz sehen musste, um ins Paradies zu führen.
Welche Harmonie, welche Zartheit und Fruchtigkeit! Er
lächelte und hatte Barbara ihre lose Rede bereits
verziehen.
»Von dieser Qualität habe ich einiges hier lagern.
Es mag sein, dass Menschen dafür morden würden.
Natürlich haben wir auch den einfachen Wein, aber die
Eisweine sind es, in denen ich die Zukunft unserer Zunft sehe.
Schon jetzt schlägt man sich um meine besten Tropfen. Daher
erwarte ich einen guten Preis für mein
Handelshaus.«
»Und den will Dulcken zahlen?«, fragte Andreas
ungläubig und nahm noch einen Schluck. Der süße,
fruchtige Wein küsste seine Zunge und schmeichelte sich die
Kehle hinab.
»Ja.«
»Wie?«
»Der Mann, der bei ihm war, will ihm einen Kredit geben.
Er wird sein wichtigster Handelspartner in England sein. Edwyn
Palmer ist sein Name.«
EINUNDZWANZIG
Elisabeth und Anne hatten in jener Nacht kaum Schlaf gefunden.
Noch etliche Paare vergnügten sich nebenan, sodass Elisabeth
andauernd an ihr erstes geschlechtliches Erlebnis mit ihrem
Gemahl denken musste. Bei Anne schien es etwas anders zu sein,
wie man aus ihren Seufzern schließen konnte.
Am Morgen waren sie beide so erschöpft, als seien sie es
gewesen, die in der Nacht im Nachbarzimmer Dienst getan hatten.
Mit dunkel umränderten Augen kamen sie in die Schankstube,
in der Anton und drei weitere Männer noch schliefen. Beim
Eintreten der Frauen regten sie sich und schlugen die Augen auf.
Die drei anderen drehten sich sofort wieder um, nur Anton sprang
erfreut von der Holzbank hoch und warf das graue Wolllaken weit
von sich.
»Ich habe Neuigkeiten«, flüsterte er, um die
anderen nicht noch mehr zu stören. »Agnes hat dem Wirt
gesagt, dass schon übermorgen ein Zug von Kölner
Kaufleuten von hier abgeht. Wir könnten um eine Passage
bitten. Vermutlich müssen wir aber etwas
bezahlen…«
Anne nickte. Sie sah Anton prüfend an. Elisabeth wusste
genau, dass sie im Augenblick viel mehr an der Frage interessiert
war, wie und wo Anton die letzte Nacht verbracht hatte. Allein
die Tatsache, dass er sehr ausgeruht wirkte, sprach gegen
sündig verbrachte Stunden. Anne schien das genauso zu sehen
und wirkte sehr erleichtert. Elisabeth verkniff sich ein
Lächeln.
Sie verließen die Herberge und machten sich auf den Weg
in die Deventer Straat, wo das Kontor eines der Handelsherren
lag, die den Zug nach Köln organisierten. Elisabeth schaute
sich neugierig um, als sie durch die engen Straßen gingen.
Hier war alles so anders als in Köln oder gar London. Die
Häuser waren viel schmaler und sehr hoch, und die Giebel
waren treppenförmig, wie man es in Köln nur selten sah.
Überhaupt erstaunte sie die Fülle an Steinhäusern.
Diese Stadt war zwar klein, aber offenbar nicht arm. Auch die
Leute waren gut gekleidet; man sah viele Brokat- und
Damaststoffe, und die Hauben der Damen waren reich mit Perlen und
Spitze verziert. Das Haus des Kaufmanns war ebenfalls prachtvoll
und stand Elisabeths Elternhaus in nichts außer der Breite
nach.
Der Handel war schnell abgeschlossen. Der Kaufmann reiste mit
Stoffen nach Köln und hatte einige Kölner Handelsleute
um sich geschart, die ihre Waren – vor allem Wein und
Metallwaren – in den niederländischen Provinzen
abgesetzt hatten und von dort Seide und Barchent mitbrachten. Als
das Wort Wein fiel, horchte Elisabeth auf. Überall witterte
sie inzwischen eine Verbindung zum schrecklichen Schicksal ihres
Bruders. Während sich Anton und Jakob van Damme, der
Kaufmann, einig wurden,
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