Tod im Weinkontor
Gruppe zum Haus Schönefrau auf dem Berlich.
Sie hatten Glück. Gerade als sie die Schankstube
betraten, wollte der Engländer gemeinsam mit Dulcken den
Raum verlassen. Die beiden zuckten zusammen, als sie die
Wachmänner und deren Waffen sahen. Und dann bemerkte Palmer
seine Frau.
Er erstarrte. Zog die Brauen zusammen. Seine Augen
sprühten Feuer. Er vergaß die Büttel und
stürzte sich auf Anne. »You dirty bitch!«,
schrie er. »I’ll kill you!« Doch dazu kam er
nicht. Die Büttel packten und überwältigten ihn.
Sie banden ihn mit einem Seil und gaben ihm zusätzlich noch
einen Schlag mit der Hellebarde gegen den Kopf, sodass er sich
benommen abführen lassen musste.
»Das dürft Ihr nicht!«, rief Dulcken und
humpelte auf die Büttel zu. »Er ist mein
Gast.«
»Wer seid Ihr?«, fragte einer der Wachmänner.
Andreas überlegte, ob er angeben sollte, dass Dulcken an dem
Überfall auf ihn beteiligt gewesen war. Es wäre gut,
wenn auch Dulcken festgesetzt wurde, denn Andreas war sich
über seine Rolle bei Ludwigs Tod nicht im Klaren. Gerade als
er den Bütteln dies sagen wollte, schoss Dulcken erstaunlich
behände an ihnen vorbei und war bereits aus der Schankstube
geflohen, als die Wachmänner sich noch nach ihm umdrehten.
Sie sahen einander ratlos an. Der Engländer versuchte, die
Lage für sich zu nutzen, und kämpfte mit aller Kraft
gegen seine Gegner. Diese hatten ihre liebe Not mit ihm; an eine
Verfolgung Dulckens war nicht zu denken. Edwyn Palmer blitzte
seine Frau an und bespuckte sie. Ihr standen die Tränen in
den Augen, als sie sich den Speichel aus dem Gesicht wischte.
Elisabeth nahm sie in den Arm. Andreas stand verloren daneben und
wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Als Palmer an Anne
vorbei abgeführt wurde, raunte er ihr nochmals zu:
»I’ll kill you.«
Edwyn Palmer wurde zunächst in die Arrestzelle des
Rathauses gebracht. Dort legte man ihn in Ketten. Der
Wachhauptmann erklärte Andreas, dass man den Engländer
morgen verhören werde, und es sei wichtig, dass er,
Elisabeth und Anne als Kläger zugegen seien. Dann
könnten ihre Aussagen zu Protokoll genommen werden. Andreas
bedankte sich für die schnelle Hilfe, und gemeinsam mit den
beiden Frauen verließ er das Rathaus.
Am nächsten Morgen fanden sie sich erneut dort ein. Sie
wurden in ein kleines Zimmer unter dem Paradiessaal gebracht, wo
bereits ein Schreiber und der Richter auf sie warteten. Kurz
darauf wurde Edwyn Palmer hereingeführt und roh auf einen
Stuhl vor dem Richter gesetzt. Dieser begann sofort:
»Angeklagter, Ihr werdet des Angriffs auf einen Geistlichen
sowie des Mordes an einem Kölner Kaufmann beschuldigt. Seid
Ihr unserer Sprache mächtig?«
Palmer nickte und warf einen raschen Seitenblick auf seine
Frau, die rechts von ihm auf einer Bank an der Wand saß.
Sie wich seinem Blick aus und schaute aus dem Fenster.
»Gut. Schreiber, nehmt das zu den Akten. Was,
Angeklagter, habt Ihr zu diesen Vorwürfen zu
sagen?«
»Gelogen alles. Ich bin ein Untertan des englischen
Königs. Ihr dürft nicht richten mich.«
Den letzten Einwurf überhörte der Richter.
»Ehrwürden, bitte legt Eure Sicht der Dinge
dar«, bat er und schaute den jungen Geistlichen von unten
herauf an. Andreas bemerkte, dass der schwarze Talar des Juristen
recht fleckig war und sein Barett etliche Mottenlöcher
aufwies. Das drahtige, graue Haar lugte widerspenstig darunter
hervor und fiel ihm bis auf die Schultern. Andreas schilderte den
Überfall auf ihn in allen Einzelheiten. Danach schaute der
Richter den Engländer fragend an.
»Falsch«, antwortete dieser zornig. »Ich
habe diesen Mann Rechnung gegeben für Neugier.«
»Rechnung?« Der Schreiber kicherte.
»Also gebt Ihr zu, Andreas Bergheim geprügelt zu
haben. Der arme Mann wäre beinahe daran gestorben.«
Der Richter schaute wieder zu Andreas hinüber, der zwischen
Anne und Elisabeth saß. Er schien nicht allzu viel Mitleid
mit der Geistlichkeit zu haben.
»Er ist eine Schwachling. Meine Schuld ist es nicht,
wenn er wäre daran gestorben. Nur habe ich ihn ein wenig
geschlagen«, versuchte sich Palmer zu entschuldigen. Nun
war er ganz ruhig. »Ich bin Engländer.« Er
schien zu glauben, dass ihn dieser Umstand vor einer Strafe
schützen würde.
Elisabeth reichte es. Sie sprang auf und rief: »Es ist
ja wichtig und richtig, dass das hohe und ehrenwerte Gericht den
Überfall auf den armen Andreas Bergheim
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