Tod im Weinkontor
Umdrehungen dürften in diesem Fall
reichen«, meinte der Richter zu seinem Untergebenen. Dieser
zog die kleinen Schrauben der Handfessel an, die innen mit
spitzen Nägeln versehen war. Palmer schrie auf wie ein
geschundener Hund. Blut quoll zwischen dem Metall hervor. Andreas
wandte den Blick ab.
»Bleibst du bei deiner Aussage?«, fragte der
Richter gütig und liebevoll.
»Ja!«
Weitere Umdrehungen entlockten dem Engländer Schreie, die
Andreas nie für möglich gehalten hatte.
»Und jetzt?«, säuselte der Richter und rieb
sich die fetten Hände.
»Ja! Nein! Ich… ich…«
»Was wolltest du sagen? Ich bin ganz Ohr.« Mit
freundlicher Miene beugte sich der Richter dem englischen
Kaufmann entgegen.
»Er war… schon tot.«
Andreas schoss herum. Sah Palmer an. Begriff nicht.
»Schon tot?«, fragte er heiser. »Ihr wart bei
Leyendecker?«
»Ja«, keuchte Palmer.
»Wie schade«, meinte der Richter. »Ihr
Engländer seid einfach verweichlicht. Wir haben doch gerade
erst angefangen. Ich hätte deiner Freundin, die heute nicht
hier sein kann, gern berichtet, dass du dich in unaussprechlichen
Qualen gewunden hast. Wie ihr das wohl gefallen
hätte?«
Andreas wäre diesem Richter am liebsten an die Gurgel
gesprungen. Wie gern hätte er ihn an der Stelle des
Engländers gesehen – und wie gern hätte er selbst
die Schrauben angezogen! »Was habt Ihr mit Leyendecker
gemacht?«, fragte Andreas, um sich von seinen sündigen
Gedanken abzulenken.
»Nichts«, keuchte Palmer und schaute entsetzt auf
das Blut, das von seinen Fingern herabtropfte. »Ich
wussten, dass er hat besprungen meine Anne. Ich wollte den Mann
töten, ich gebe zu. Ich musste reisen nach Köln, war
gute Gelegenheit. Bin nachts eingedrungen in das Haus, weil
schwierig ist, an den Mann allein heranzukommen.« Er
verstummte und schien wegen des Blutverlustes ohnmächtig zu
werden. Sofort war der Nachrichter bei ihm und schlug ihm heftig
ins Gesicht. Palmer kam wieder zu sich.
»Was ist geschehen, nachdem Ihr das Haus betreten
hattet?«, fragte Andreas hastig.
»Ich habe mich verborgen in dem Keller, aber kam jemand,
und war kein guter Ort dort. Ich hatte keinen Plan, nur immer den
Mann gesehen, der mit mir so viele gute Geschäfte gemacht,
wie er liegt auf meiner Anne. Ja, ich wollte ihn umbringen. Aber
nicht wusste, wie. Bin geschlichen durch die Haus, und dann habe
gehört seltsame Geräusche von weit, weit oben. Laute
Stimme, Poltern. Licht, wie von eine Kerze. Kam jemand herab die
Treppe. Habe mich versteckt, als er gegangen ist an mir
vorbei.«
»Wer?«, unterbrach ihn Andreas.
»Nicht habe gesehen. Vielleicht eine Mann, aber bin mir
nicht sicher. Wollte schon ihn anfallen, weil ich geglaubt, es
ist Ludwig. War seine Stimme, die laute, die ich gehört.
Aber etwas an die Mann, die herunterging, war unheimlich. War so
leise, wie wenn er schwebt. Nicht ganz auf der Erde ist. Wie eine
Geist.« Palmer zitterte. Der Richter schaute ihn neugierig
an; das Lächeln schien auf seinem Gesicht festgefroren zu
sein.
»Und dann?«, wollte Andreas wissen. Er
spürte, wie seine Handflächen vor Aufregung feucht
wurden.
»Dann bin ich gegangen nach oben«, fuhr Palmer
fort. »Ganz nach oben. Bis unter die Dach. Da habe ich ihn
gesehen. Ludwig hatte sich erhängt an die
Dachbalken.«
Andreas hatte den Atem angehalten. Er wischte sich die
schweißnassen Hände am Gewand ab. Sagte der
Engländer die Wahrheit? Wenn seine Aussage richtig war, wer
war dann der geheimnisvolle Schatten auf der Treppe gewesen?
FÜNFUNDZWANZIG
Andreas hatte erreicht, dass der Engländer nach seiner
Aussage nicht mehr gefoltert wurde. Doch der Richter wollte ihn
wegen seines Überfalls auf den jungen Geistlichen weiterhin
in Haft behalten. Edwyn Palmer schien von Johannes Dulcken, den
er von früheren Geschäften her kannte, zur
Bürgschaft für die Übernahme des
Leyendecker’schen Handelshauses gebeten worden zu sein,
hatte aber keine Ahnung, ob Dulcken möglicherweise etwas mit
dem Mord an Ludwig zu tun hatte oder gar der Schatten war, den er
die Treppe hatte herunterkommen sehen. Somit hatte sich Palmer
als falsche Spur erwiesen, denn Andreas hielt seine Aussage
für wahr. Er teilte sie den beiden Frauen mit, die bereits
neugierig und ängstlich im Pastorat auf ihn gewartet hatten.
Zuerst bezweifelte Anne die Worte ihres Mannes, doch es gab
keinen Grund, ihnen zu misstrauen.
»Dann sind wir jetzt so
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