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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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nicht zu Eurem
Mann zurückkehren, Elisabeth.«
    Sie nickte. »Wir haben etwas erfahren«, sagte sie
vorsichtig und schielte hinüber zu der Nonne, die ganz Ohr
zu sein schien.
    »Gehen wir«, sagte Andreas und bedankte sich bei
der Nonne für ihre Freundlichkeit. Elisabeth war froh, als
sie die Klostermauern hinter sich gelassen hatte.
    Auf dem Weg nach Sankt Kolumba berichtete Elisabeth, dass sie
Annes Ehemann gefunden hatten, wenn man dem Wirt, den sie gefragt
hatten, glauben konnte. »Es wäre aber wohl nicht gut,
wenn wir allein versuchen würden, seiner habhaft zu
werden.«
    »Also werden wir uns an die Büttel wenden«,
sagte Andreas, während Grete ihnen widerwillig die Tür
öffnete. »Gleich morgen.«
     
    Wieder eine Kammer, wieder ein fremdes Bett, wieder unter dem
Dach. Elisabeth kam sich vor, als laufe ihr Leben in der letzten
Zeit nach einem unerbittlichen Muster ab. Nachts, nebeneinander
im Bett, fragte Elisabeth leise, ob Anne Angst vor der Begegnung
mit ihrem Mann habe.
    »Ja«, hauchte sie.
    »Aber wir werden nicht allein sein«, versuchte
Elisabeth sie zu beruhigen.
    »Was wird mit ihm geschehen, wenn die Büttel ihn
mitnehmen?«
    »Er wird ins Gefängnis geworfen.« Sie
hörte Annes leises Schluchzen. »Trauerst du etwa um
diesen Mann?«, fragte Elisabeth verständnislos.
    »Es sind die Erinnerungen an die besseren Zeiten«,
sagte Anne. »Es stimmt, dass ich mit dieser Heirat nicht
einverstanden war und Edwyn oft das Schlimmste gewünscht
habe, aber jetzt, wo es ihm bevorsteht, tut er mir
Leid.«
    Elisabeth begriff gar nichts mehr. Sie drehte sich auf die
andere Seite und versuchte zu schlafen.
     
    Am nächsten Morgen machten sich die drei auf zum Rathaus
hinter dem Alten Markt. Andreas hatte für die beiden Frauen
gewöhnliche Kleidung besorgt: Hauben, Ober- und
Unterkleider, Schürzen, Wämser und Schuhe, die zwar
nicht der letzten Mode entsprachen, aber durchaus bequem waren.
Elisabeth fühlte sich wieder sicherer. Doch immer wieder
schaute sie sich um, ob sie irgendwo ihren Mann oder einen seiner
Handlanger entdeckte. Sie erkannte niemanden.
    Als sie auf dem Rathausplatz standen, warfen sie einen raschen
Blick auf den neuen, kaum sechzig Jahre alten Turm. Stolz und
majestätisch reckte er sich in den wolkenverhangenen Himmel
und kündete vom Stolz dieser Stadt und seiner Regenten. Wie
der Dom, so war auch dieser Turm im neuen, luftigen Stil
gehalten, der die Säulen und Pfeiler wie himmelwärts
strebende Melodien wirken ließ. Andreas senkte als Erster
wieder den Blick und schaute die beiden Frauen an. Anne erschien
ihm als eine durchschnittliche, blasse Person, der er auf der
Straße keinerlei Beachtung geschenkt hätte, doch
Elisabeth begeisterte ihn. Während ihrer Abwesenheit hatte
sie sich verändert. Sie war sicherer und mutiger, fester im
Auftreten und beständiger geworden. Als sie bemerkte, dass
er sie anschaute, schenkte sie ihm einen kurzen, freundlichen
Blick und sah dann weg.
    Der Eingang zum Rathausturm wirkte wie ein Kirchenportal. Der
Erretter der Menschheit, Jesus Christus, wurde im steilen
Bogenfeld von den Aposteln Petrus und Paulus flankiert, und
daneben tummelten sich unzählige weitere Heiligenfiguren auf
Bildkonsolen, so weit und hoch das Auge blickte. Ganz oben, unter
der Turmuhr, bewegte sich plötzlich etwas, das Andreas aus
den Augenwinkeln sehen konnte. Er schaute hinauf und musste
lächeln. Gerade schlug die Uhr die zehnte Morgenstunde, und
der Platzjabbeck, der riesige, groteske Kopf aus Eichenholz,
streckte bei jedem Stundenschlag die Zunge heraus. Wie wunderbar
war diese Stadt, die auch an den erhabensten Gebäuden noch
ihren milden Spott ausließ!
    Im ersten Stock des Rathausturmes befand sich ein Durchgang zu
einem Zwischentrakt, der als Prophetenkammer bekannt war. Darin
führte eine Wendeltreppe hinunter zur Wachstube mit dem
Offizierszimmer. Andreas führte die beiden Damen dorthin und
wurde beim Stadtbüttel vorstellig. Der Büttel, ein
stattlicher Mann mit einem schwarz schillernden Wams und einem
ausladenden Bart, hörte die Beschuldigungen der Frauen
schweigend an und holte dann zwei Untergebene, denen er befahl,
die Frauen und den Geistlichen zu begleiten und den
Engländer wegen tätlichen Angriffs auf die
Geistlichkeit zu arrestieren. Die beiden Männer waren jung
und wirkten mit ihren Brustpanzern und den großen
Hellebarden recht draufgängerisch. Sie begleiteten die
kleine

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