Tod im Weinkontor
durch die Gosse ziehen, wenn
es sein muss.« Er rührte sich jedoch nicht. »Du
bist immer noch meine Frau. Du gehörst mir.«
»Sie gehört niemandem außer Gott und sich
selbst«, warf Andreas kühl ein. »Geht jetzt.
Eure Frau wird zu gegebener Zeit zu Euch zurückkehren, doch
jetzt haben wir Wichtigeres zu tun.«
»Wichtigeres?«, polterte Heinrich Bonenberg.
»Worum geht es hier überhaupt? Wer ist diese andere
Frau?« Er zeigte auf Anne. »Und was soll die ganze
Heimlichtuerei?«
»Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Ihr eingeweiht
werdet«, überlegte Andreas laut. Als Heinrich darauf
nichts antwortete, warf der Priester einen raschen Blick auf
Elisabeth. Sie nickte ihm zu. Er berichtete ihrem Mann von den
gemeinsamen Nachforschungen und schloss mit dem Verdacht, Dulcken
sei der Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit.
»Dulcken? Johannes Dulcken?«, fragte Heinrich
verblüfft. Er hatte die ganze Zeit schweigend zugehört
und die Stirn in Falten gelegt. Es war deutlich zu sehen, wie er
nachdachte. Alle Wut schien ihn für den Augenblick verlassen
zu haben. »Dulcken habe ich heute noch gesehen.«
»Im Leyendecker’schen Haus?«, platzte
Elisabeth heraus.
Ihr Mann sah sie scharf an und zog die Brauen zusammen. Es
schien, als habe er eine böse Bemerkung auf der Zunge, doch
er sagte nur: »Nein, weit draußen im Westen, in der
Gegend von Sankt Severin.«
»Wann war das?«, wollte Andreas wissen.
»Oh, vor vielleicht einer Stunde. Es war ganz
seltsam.«
Nun sahen ihn drei Augenpaare in gespannter Erwartung an.
Heinrich holte tief Luft und strich sich über den
großen Bauch.
Er machte noch einen Schritt in die Sakristei hinein, stellte
seine Laterne auf dem Boden ab und hielt sich an der Säule
fest, als müsse er zuerst seinen Körper stützen,
um dadurch seine Gedanken zu festigen. Er fuhr sich mit der Hand
über die Augen. »Ich kam aus Richtung Bonn durch das
Severinstor und ritt die Severinstraße entlang. Am
Wirtshaus bei der Eiche habe ich mir einen Schoppen Bier
genehmigt. Da kam Dulcken mit seinem Bauchladen herein. Die
Amulette klirrten an seinem Körper wie ein kleines
Glockenspiel. Er wirkte irgendwie verzweifelt und versuchte, dem
Wirt Nesselkraut und Wacholderholz zu verkaufen, damit ihm der
bereits angestochene Wein nicht umgehe. Der Wirt wollte davon
aber nichts wissen und hat Dulcken hinausgeworfen. Da ich kurz
danach aufgebrochen bin, konnte ich noch sehen, wie er in
Richtung der Weingärten hinter Sankt Severin humpelte. Er
ruderte mit den Armen wie ein Schwachsinniger und verschwand
zwischen den Hecken.«
»Und das war erst vor einer Stunde?«, fragte
Andreas. Heinrich nickte.
Elisabeth sah ihren Gatten misstrauisch an. »Seit wann
bist du wieder in Köln?«, fragte sie.
Er bedachte sie mit einem abschätzigen Blick. »Ich
bin von London geradewegs nach Bonn gereist und habe die Stadt
erst heute wieder betreten. Ich war noch nicht einmal in der
Rheingasse.«
»Woher hast du gewusst, dass ich hier bin?«,
fragte Elisabeth und kniff die Augen zusammen.
Heinrich räusperte sich. »Im Wirtshaus bei der
Eiche habe ich Ansgar Dorst getroffen.«
»Deinen Schreiber?«, wunderte sich Elisabeth.
»Was hat der denn so weit draußen gemacht?«
»Ganz recht, meinen Schreiber. Ich freue mich, dass du
dich noch an ihn und an unser gemeinsames Zuhause
erinnerst«, brummte Heinrich. »Er hat mir verraten,
dass du und deine Freundin bei diesem Pfaffen Unterschlupf
gefunden habt. Er scheint es von der Magd deines geistlichen
Freundes zu wissen, die mit Lise, unserer Hauptmagd, verwandt
ist. Du siehst, auch Köln ist nur ein Dorf. Hast du wirklich
geglaubt, du könntest mir entkommen?« Er lächelte
Elisabeth kalt an und sah von ihr zu Anne. Elisabeth bemerkte,
wie ihre Freundin erblasste.
»Was ist mit Dulcken?«, fragte Andreas und
näherte sich Heinrich langsam.
»Vielleicht hat er sich irgendwo zwischen den Reben
einen Schlafplatz gesucht. Es scheint ihm ja nicht sehr gut zu
gehen, was seine Vermögensverhältnisse betrifft«,
meinte Bonenberg. »Glaubt Ihr wirklich, er hat mit dem Tod
Ludwig Leyendeckers etwas zu tun? Dann sollten wir ihn einfach
aufsuchen und fragen. Ich bin sicher, dass er sich in diesem
Weingarten ein Nachtlager bereitet hat.« Er zwinkerte
Andreas zu. Dieser war sofort einverstanden mit dem Vorschlag. Er
löschte die Kerze. Bonenberg nahm seine Laterne auf und
verließ mit Andreas und den beiden Frauen
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