Tod in Bordeaux
weiterging. Er verharrte einen Moment wie vor dem Start zu seinem letzten Marathon, konzentrierte sich und lief los.
Es wurde nicht der längste, aber der härteste Lauf seines Lebens. Für Garenne und den Korsen schien sein Tod beschlossene Sache zu sein. Martin lief wie eine Maschine, keineswegs entspannt und doch gleichmäßig. Der Lehm an den Füßen hielt ihn fest, er sank ein, fand trockene Stellen nur, wenn der Mond die Wege beschien. Er musste über und über mit Schlamm bespritzt sein. Hatte er das nicht geträumt?
Doch der Matsch hatte auch Vorteile, denn die Autos der Verfolger blieben auf den Wegen stecken. Leider entdeckte jemand seinen Wagen. Aus der Ferne hörte er eine Explosion. Jetzt hatten sie bis auf sein Wohnhaus alles zerstört. Platz für den totalen Neuanfang, dachte Martin und wunderte sich über seinen Fatalismus. Er hatte die Fotos - Garenne würde die Zeche bezahlen -, aber wo konnte er jetzt mit Hilfe rechnen?
Bis nach Castillon-la-Bataille war es weit. Auf halber Strecke lag das Bistro, der Patron würde ihm weiterhelfen. Diese Aussicht gab ihm neue Kraft. Er konnte es schaffen. In etwa einem Kilometer Entfernung verlief die Landstraße, dort zuckte Blaulicht. Die Ambulanz für Garenne -vielleicht die Polizei? Das wäre nur gut für ihn.
Martin lief und lief, für die Zeit hatte er jedes Gefühl verloren, seine Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt. Von den Verfolgern war nichts zu sehen, er hatte sie abgehängt. Keiner jagte ihn mehr, dafür überschlugen sich nun die Gedanken in seinem Kopf.
Er griff nach dem Handy, aber der Akku war leer. Hatte er das verdammte Ding, das ihn verraten hatte, die ganze Zeit über eingeschaltet gelassen? Wer mochte angerufen haben? War Garenne schwer verletzt? Hoffentlich hatte er ihm die Nase gebrochen, alles andere ging ihn nichts an. Geschossen hatte der Korse. Wieso wusste Garenne nichts vom Mord am Fahrer des Gabelstaplers? - Martin watete durch einen Graben -, und mit dem Einbruch während der Beerdigung wollte er auch nichts zu tun haben?
Lüge! Wer, wenn nicht Garenne, hatte den Auftrag gegeben, seinen Laden niederzubrennen - jetzt war Stacheldraht im Weg. Martin wand sich darunter hindurch. Anscheinend trieb der Korse sein eigenes Spiel, und diese abfällige Art, mit Garenne zu reden, war absolut unverständlich. Und was war mit Bichot?
Geduckt überquerte Martin eine asphaltierte Straße, da konnte man ihn leicht entdecken - was war Bichot wirklich, was spielte er für eine Rolle? Den Landedelmann nahm er ihm längst nicht mehr ab. Hatte er Gaston zu LaCroix geschickt? Weshalb? Damit Garenne ihn umbringen konnte? Nein, sie waren Feinde. Bichot wollte Haut-Bourton zurück.
Martin war fast am Ende seiner Kräfte, als er das Bistro erreichte. Es hatte noch geöffnet, einige Wagen parkten davor, aber Jacques’ Motorrad stand nicht dabei. Sicherheitshalber näherte Martin sich dem Gebäude von hinten. Er klopfte ans Küchenfenster. Die Frau des Patrons erschrak, als sie ihn sah, er musste schrecklich aussehen, das Ungeheuer aus dem Moor. Er klopfte wieder, sie verschwand, dafür kam ihr Mann ans Fenster.
«Ärger gehabt?», fragte der Patron und musterte Martin von oben bis unten. «Recht heftig, wie ich sehe. Ich dachte, du bist in Deutschland. Komm hinten rein, dann sieht dich keiner.»
Kurz darauf hörte Martin den Schlüssel im Schloss der Hintertür, und der Patron zog ihn ins Haus: «Mon Dieux , siehst du schlimm aus! Geh ins Badezimmer, ich werde sehen, ob sich was zum Anziehen finden lässt, du bist zu groß ... Viel Betrieb in der Gegend, heute Abend, nicht? Polizei, Krankenwagen - keine Ahnung, was da los ist?», fragte er lauernd.
Martin schüttelte müde den Kopf, er wollte nur noch ins Bad. Das heiße Wasser am Körper war ein göttliches Gefühl. Kurz darauf brachte der Patron einen blauen Trainingsanzug mit der Aufschrift des Fußballvereins von Castillon-La-Bataille auf der Jacke. «Lass dich drinnen nicht sehen. Hier, das Zimmer, das mein Vater bis zu seinem Tod bewohnt hat. Ich bringe dir gleich was zu essen.»
Der Vater hatte Stumpen geraucht, Martin roch es sofort, und auch die gestreifte Tapete war vom Rauch gefärbt. Rechts stand ein schmales Bett, links der Schrank und in der Mitte unter dem Fenster ein Tisch mit einer kleinen Lampe. An den Wänden hingen Bilder von einem Radrennfahrer mit Siegerpokal und Lorbeerkranz, mal wurde er von Männern auf den Schultern getragen, auf einem anderen Bild
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