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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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Metern bog er in die Wall-
    straße ein, wo er vor einem ziemlich heruntergekomme-
    nen Haus mit der Nummer 27 anhielt. Die Zoohandlung
    Friedländer war sonntags geschlossen. Ein neugieriger
    Hausmeister lief sogleich herbei und erklärte Mock
    diensteifrig, dass sich die Wohnung Friedländers direkt
    neben dem Geschäft befinde.
    Eine schlanke, dunkelhaarige Frau öffnete die Tür. Es
    war Lea Friedländer, Isidors Tochter. Mock war beein-
    druckt von ihrer Erscheinung. Sie fragte erst gar nicht
    nach seinem Dienstausweis, sondern führte ihn gleich in
    die bescheiden eingerichtete Wohnung.
    »Mein Vater kommt sofort. Bitte warten Sie einen
    Moment«, stammelte sie. Mocks Blicke hatten sie deut-
    lich in Verlegenheit gebracht. Und er hatte es selbst dann noch nicht fertig gebracht, seine Augen von ihren sanft
    gerundeten Hüften und Brüsten abzuwenden, als Isidor
    Friedländer, ein kleiner, dicklicher Mann, das Zimmer
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    betrat. Er setzte sich Mock gegenüber, legte die Beine
    übereinander und schlug einige Male mit dem Handrük-
    ken auf das Knie, sodass sein Bein unwillkürlich zuckte.
    Mock sah ihm eine Weile wortlos dabei zu, bevor er be-
    gann, eine Reihe kurzer Fragen zu stellen.
    »Name?«
    »Friedländer.«
    »Vorname?«
    »Isidor.«
    »Alter?«
    »Sechzig.«
    »Geburtsort?«
    »Goldberg.«
    »Ausbildung?«
    »Ich habe die Jeschiwa in Lublin absolviert.«
    »Fremdsprachenkenntnisse?«
    »Abgesehen von Deutsch und Hebräisch etwas Jid-
    disch und etwas Polnisch.«
    »Wie alt ist Ihre Tochter?«
    Friedländer beendete abrupt die Experimente mit sei-
    nem Knie und blickte Mock einen Moment aus fast pu-
    pillenlosen Augen an. Ein heiserer Schrei entfuhr ihm, er
    sprang auf und stürzte mit einem Satz auf den Rat zu,
    dem es nicht mehr gelang auszuweichen. Beide fielen zu
    Boden, Friedländer mit seinem ganzen Gewicht auf
    Mock. Der versuchte an seinen Revolver zu kommen, aber
    sein Arm war vom Gegner eingeklemmt. Plötzlich ließ
    der Druck jedoch nach, er spürte Friedländers harte Bart-
    stoppeln an seinem Hals, dessen Körper wurde stocksteif
    und begann rhythmisch zu zucken.
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    Lea kam hinzu und versuchte ihren Vater von Mock
    herunterzuziehen.
    »Helfen Sie mir, wir müssen ihn auf das Bett legen!«
    »Lassen Sie, ich schaffe es schon alleine.«
    Mock kam sich vor wie ein Teenager, der mit seinen
    Kräften protzt. Mit größter Mühe bugsierte er den schwe-
    ren Körper auf das Sofa. Lea bereitete unterdessen ir-
    gendeine Mixtur zu, die sie ihrem Vater vorsichtig ein-
    flößte. Friedländer gab einige gurgelnde Geräusche von
    sich, schluckte dann aber. Kurz darauf konnte man sein
    gleichmäßiges Schnarchen vernehmen.
    »Ich bin zwanzig Jahre alt.« Lea wich immer noch
    Mocks Blicken aus. »Mein Vater ist Epileptiker. Er hat
    heute vergessen, sein Medikament zu nehmen. Aber die
    Dosis, die ich ihm gerade verabreicht habe, wird ihn nun
    etwa zwei Tage lang anfallfrei sein lassen.«
    Mock klopfte seine Kleidung ab.
    »Und wo ist Ihre Mutter?«
    »Sie ist vor vier Jahren gestorben.«
    »Haben Sie Geschwister?«
    »Nein.«
    »Ihr Vater hat den Anfall auf meine Frage nach Ihrem
    Alter bekommen. Ist das ein Zufall?«
    »Eigentlich habe ich Ihnen diese Frage bereits beant-
    wortet. Mein Vater hat außer mir niemanden. Ich bedeu-
    te ihm alles. Wenn sich ein Mann für mich interessiert,
    regt er sich sehr auf. Und wenn er dazu noch vergessen
    hat, sein Medikament zu nehmen, dann ist es fast unaus-
    weichlich, dass er einen Anfall bekommt.«
    Lea hob den Kopf und blickte Mock zum ersten Mal
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    direkt in die Augen, und unwillkürlich bekam sein Ver-
    halten einen verführerischen Zug: knappe, genau berech-
    nete Gesten, schmachtender Blick, ein tieferes Timbre in
    seiner Stimme.
    »Ich denke manchmal, dass mein Vater diese Anfälle
    absichtlich herbeiführt.« Die junge Frau wusste selbst
    nicht, warum sie gerade diesem Mann vertraute. (Viel-
    leicht wegen seines dicken Bauchs.)
    Doch Mock verstand diesen kleinen Vertrauensbeweis
    völlig falsch. Auf seine Lippen drängte sich die Frage, ob Lea liiert sei, ob sie sich eventuell einmal von ihm zum
    Essen einladen ließe, als er plötzlich sah, wie sich ein
    dunkler Fleck auf Friedländers Hose ausbreitete.
    »Das passiert oft während oder nach einem Anfall.«
    Lea schob ihrem Vater hastig ein Wachstuch unter
    Schenkel und Gesäß. Als sie sich vorbeugte, spannte sich
    das beigefarbene Kleid über ihre Hüften und erlaubte ei-
    nen kurzen Blick auf ihre

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