Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
Vom Netzwerk:
wirk-
    lich gut. Markenware.«
    Kurz darauf nahm Mock einen so tiefen Zug, dass er einen Stich in der Lunge fühlte.
    »Wenn Sie nicht über die Gestapo reden wollen, dann
    reden wir eben ein wenig über die Kripo.« Piontek lachte
    jovial. »Wissen Sie schon, dass Mühlhaus vorzeitig in
    Pension gehen wird? Spätestens in einem Monat – dazu
    61
    hat er sich heute entschlossen. Er hat es bereits Ober-
    gruppenführer Heines gesagt, und der ist damit einver-
    standen. Das heißt, dass die Stelle des Chefs der Krimi-
    nalabteilung ab Ende Juni frei sein wird. Ich habe gehört, dass Heines einen Nachfolgekandidaten aus Berlin hat,
    von Nebe vorgeschlagen. Arthur Nebe ist zwar ein vorzüglicher Polizist, aber was weiß er schon von Breslau …
    ich persönlich bin der Meinung, dass der beste Kandidat
    einer wäre, der sich in Breslau hervorragend auskennt …
    wie zum Beispiel Sie.«
    »Ihre Meinung ist gewiss die beste Empfehlung an In-
    nenminister Göring.« Mock bemühte sich mit aller Kraft,
    das brennende Interesse, das die Worte des Gestapoman-
    nes bei ihm geweckt hatten, hinter beißender Ironie zu
    verstecken.
    »Herr Rat!« Piontek hüllte sich in eine dichte Rauch-
    wolke. »Die von Ihnen erwähnte Persönlichkeit hat keine
    Zeit, um sich mit allfälligen Rangeleien seines Personals
    zu beschäftigen. Er wird ganz einfach den Vorschlag des
    schlesischen Gauleiters Brückner akzeptieren. Und
    Brückner schlägt denjenigen vor, der von Heines prote-
    giert wird. Heines hingegen setzt sich in allen personellen Angelegenheiten mit meinem Chef in Verbindung. Habe
    ich mich deutlich ausgedrückt?«
    Mock hatte viel Erfahrung in Gesprächen mit Leuten
    wie Piontek. Er nestelte an seinem Kragenknopf und
    wischte sich die Stirn mit einem karierten Taschentuch.
    »Irgendwie ist mir nach dem Essen heiß geworden.
    Vielleicht gehen wir ein paar Schritte auf der Promenade
    am Stadtgraben …?«
    62
    Piontek war einen kurzen Blick auf das Aquarium.
    (Hat er etwa das Mikrofon gesehen?) »Ich habe keine Zeit für Spaziergänge«, sagte er gutmütig. »Außerdem habe
    ich Ihnen noch nichts von der Sache mit Marietta von der
    Malten erzählt.«
    Mock stand auf, zog seinen Mantel über und setzte den
    Hut auf. »Herr Hauptsturmführer, ich danke Ihnen für
    das köstliche Mittagessen. Wenn Sie an meiner Entschei-
    dung interessiert sind, die ich im Übrigen bereits getrof-
    fen habe, dann werde ich draußen auf Sie warten.«

    Zwei junge Mütter spazierten mit ihren Kinderwagen in
    der Nähe der Statue von Amor und Pegasus die Prome-
    nade auf und ab und tuschelten über die beiden elegant
    gekleideten Herren, die vor ihnen hergingen. Der Größe-
    re von ihnen war stattlich gebaut, und der helle Trench-
    coat spannte sich eng um seine Schultern. Der Kleinere
    fuchtelte fortwährend mit einem dünnen Spazierstock
    herum und achtete sorgsam auf seine Lackschuhe.
    »Guck doch mal, Marie!«, raunte die schlanke Blonde
    der Rundlichen mit dem Kopftuch zu. »Das müssen feine
    Herren sein!«
    »Bestimmt.« Sie waren einer Meinung. »Vielleicht sind
    es Künstler, sonst wären sie doch bei der Arbeit! Um die-
    se Zeit muss doch jedermann arbeiten. Wer geht da
    schon im Park spazieren, um zu schwatzen?«
    Die Vermutungen Maries trafen beinahe zu. Was
    Mock und Piontek gerade vollführten, war die hohe
    Kunst der subtilen Erpressung, der verkappten Bedro-
    hung und der indirekten Provokation.
    63
    »Herr Rat, ich weiß von meinem Chef, dass Göring
    stur sein kann und dass er die Spitze der Breslauer Kripo
    mit seinem Kandidaten besetzen will, auch gegen den
    Willen von Heines und Brückner. Aber es gibt eine Mög-
    lichkeit, wie Sie ihre Position nachhaltig festigen und
    zum einzigen, konkurrenzlosen Kanditaten werden kön-
    nen.«
    »Und die wäre?«
    »Oh, das ist ganz einfach …« Piontek hängte sich bei
    Mock ein. »Irgendein Erfolg, der Aufsehen erregt, der ein
    wenig spektakulär ist … und schon ist Ihnen die Position
    sicher. Natürlich meine ich: ein derartiger Erfolg und die Förderung durch Heines und Brückner. Denn dann wird
    auch der sonst so kompromisslose Göring nachgeben.«
    Mock blieb stehen, nahm den Hut ab und fächelte sich
    Luft zu. Auf der anderen Seite des Stadtgrabens glänzte
    die Sonne auf den Hausdächern. Piontek legte einen Arm
    um Mocks Schultern und flüsterte ihm hinter vorgehal-
    tener Hand ins Ohr: »So ist es, lieber Herr Rat. Ein Erfolg
    … wir haben doch beide keinen Zweifel, dass der

Weitere Kostenlose Bücher