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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Ernte zu halten.‹ Ihr wollt in der Nacht große Feuer zwischen den Baracken entzünden, um sie bei ihrem Erscheinen gleich zu erkennen. Sie fallen immer dort ein, wo die Dinge eine schlechte Wendung nehmen. Die Geschichte wiederholt sich, wie damals, als der Niedergang von Naccos begann. Denn das hier war früher ein blühendes Bergarbeiterdorf. Deshalb sind Timoteo und ich nach unserer Flucht aus Quenka hierher gekommen.
    Zu jener Zeit war ich jung, und das Bergwerk von Naccos war nicht verlassen; es quoll über vor Bergleuten, die aus der ganzen Region gekommen waren, sogar aus entfernten Orten wie Pampas, Acobamba, Izcuchaca und Lircay. Ständig wurden neue Stollen im Schacht vorangetrieben, um das Silber, das Zink herauszuholen. Und die Werber mußten immer weiter ausschwärmen, um Leute anzuheuern, die bereit waren, zum Bergwerk zu kommen, das Santa Rita hieß. Um sie unterzubringen, wurden Baracken und Zelte an sämtlichen Abhängen des Berges errichtet; viele Bergarbeiter schliefen, eingehüllt in ihre Ponchos, in den Hohlräumen unter den großen Felsblöcken. Bis die Ingenieure eines Tages erklärten, das wertvolle Metall sei zu Ende, es bleibe nur noch die unverkäufliche Schlacke.
    Als man Leute zu entlassen begann und Santa Rita allmählich verfiel und viele Leute Naccos verließen, geschahen die merkwürdigen Dinge, die niemand erklären konnte. Und in der Ortschaft keimten Mißtrauen und Angst, ähnlich wie heute unter den Straßenbauarbeitern. Ein kleiner Dicker aus Huasicancha, der Lageraufseher war, wurde immer magerer und sagte, er fühle sich seltsam, als wäre er innerlich leer, als wäre sein Körper nur Haut und Knochen, ein Ballon, den man mit einem Nadelstich zum Platzen bringen könnte, und als wäre auch sein Kopf von Ideen und Erinnerungen entleert. Bei seinem Tod, ein paar Wochen später, war er geschrumpft und so dünn geworden, daß er wie ein schwächliches zehnjähriges Kind wirkte. Er erinnerte sich nicht, woher er kam noch wie er hieß, und wer ihn aufsuchte, den fragte er bestürzt, mit einer dünnen Stimme, ob er ein Mensch oder ein Tier sei, denn nicht einmal das wußte er mit Sicherheit. Das hat man mir nicht erzählt, das haben Timoteo und ich mit eigenen Augen gesehen.
    Der Aufseher hieß Juan Apaza. Erst nachdem man ihn am Grund der Schlucht begraben hatte, begannen die Bergarbeiter von Santa Rita und ihre Familien den Verdacht zu hegen, daß Apazas geheimnisvolle Krankheit keine Krankheit war, sondern daß ein pishtaco seinen Weg gekreuzt hatte. Genau wie jetzt waren alle in Naccos nervös und aufgeregt. ›Gibt es ein Mittel dagegen?‹ fragten sie. ›Kann man etwasgegen die pishtacos tun?‹ Sie kamen um Rat zu mir, denn es hatte sich das Gerücht verbreitet, ich wüßte, welche Berge männlich und welche weiblich seien und auch welche Steine sie gebaren. Natürlich gibt es Mittel, natürlich kann man etwas tun. Aufpassen und Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Einen Trog mit Wasser in den Hauseingang stellen, damit das Zauberpulver nicht wirken kann, mit dem der pishtaco sein Opfer betäubt, ist nützlich. Auf einen Zipfel der Hemden und der Pullover urinieren, bevor man sie anzieht, ist hilfreich. Auch etwas aus Wolle am Körper tragen, die Frauen eine Leibbinde, eine Schere, ein Stückchen Seife und eine Knoblauchzehe oder ein bißchen Salz. Nichts davon haben sie getan, und deshalb erging es ihnen, wie es ihnen erging. Sie akzeptierten die Wahrheit nicht; die von heute akzeptieren sie allmählich. Ihr habt bereits zu viele Beweise gehabt, um weiter ungläubig zu sein. Nicht wahr?
    Als die Leute in Naccos begriffen, was geschah, hatte der pishtaco , der Juan Apaza umgebracht hatte, schon mehrere ausgedörrt. Damals diente das menschliche Fett dazu, Salben anzurühren und sie beim Glockengießen beizumischen, das gab ihnen einen guten Klang. Heute, nach der Invasion von pishtacos , sind sich viele Leute in Ayacucho sicher, daß das Fett ins Ausland geschickt wird und nach Lima, wo es Fabriken gibt, die nur mit dem Fett von Männern oder Frauen funktionieren.
    Diesen pishtaco von Santa Rita kannte ich sehr gut.Nachdem er Juan Apaza ausgedörrt hatte, dörrte er Sebastián aus, einen Freund von Timoteo. Seine Geschichte verfolgte ganz Naccos Schritt für Schritt, denn er begann sie den Bergarbeitern zu erzählen, sobald er sich seltsam fühlte. Das heißt, seit dem Abend, an dem er außerhalb der Ortschaft, als er mit einer Herde Lamas über die Grasebene zog, plötzlich auf

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