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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Gipfel und Berge der Kordillere«, sagte der Professor, entzückt, über etwas sprechen zu können, was offensichtlich im Zentrum seiner Vorlieben lag. »Jede Erhebung der Anden, so klein sie auch sein mag, hat ihren kleinen Schutzgeist. Als die Spanier kamen und die Götzen und Tempel zerstörten und die Indios tauften und die heidnischen Kulte verboten, glaubten sie, dieser Götzenglaube würde verschwinden. In Wahrheit besitzen sie jedoch, mit den christlichen Riten vermischt, nach wie vor Gültigkeit. Die apus entscheiden über Leben und Tod in diesen Gefilden. Ihnen haben wires zu danken, daß wir hier sind, meine Freunde. Auf die apus von La Esperanza!«
    Ermutigt durch den Pisco, das Bier und die freundschaftliche Atmosphäre, wagte Lituma sich abermals vor:
    »In Naccos gibt es so etwas wie eine Hexe, die viel über diese Dinge weiß, Herr Doktor. Señora Adriana. Sie sagt das gleiche, daß nämlich die Berge voller Geister sind und daß sie mit ihnen in Verbindung steht. Sie behauptet, sie seien böse und äßen gerne Menschenfleisch.«
    »Adriana? Die Frau von Dionisio, dem Piscoverkäufer?« fiel der Doktor ein. »Ich kenne sie sehr gut. Auch den Säufer von Ehemann. Er zog früher von Dorf zu Dorf, mit einem Trupp Musiker und Tänzer, er als ukuko , als Bär, verkleidet. Gute Informanten, beide. Haben die Sendero-Leute sie noch nicht wegen asozialen Verhaltens umgebracht?«
    Lituma kam aus dem Staunen nicht heraus. Der war wie der liebe Gott, der wußte alles und kannte alle. Wie konnte das sein, wenn er noch dazu Ausländer war?
    »Nennen Sie mich nicht Doktor, sondern Paul, Paul Stirmsson oder einfach Pablo oder Scharlach, so nennen mich meine Studenten in Odense.« Er hatte eine Pfeife aus der Tasche seiner Jacke mit den roten Rauten geholt und zerkrümelte den schwarzen Tabak zweier Zigaretten; dann stopfte er den Tabak mit seinen Fingern in die Pfeife. »In meinem Land nennt mannur die Ärzte Herr Doktor, nicht die Geisteswissenschaftler.«
    »Auf, Scharlach, erzähl Korporal Lituma, wie deine Liebe zu Peru entstanden ist«, ermunterte ihn Pichín. Als er ein kleiner Junge war, in Dänemark, dem Land seiner Herkunft, hatte ihm sein Vater ein Buch über die Entdeckung und Eroberung Perus durch die Spanier geschenkt, das ein Mensch namens Prescott geschrieben hatte. Diese Lektüre besiegelte sein Schicksal. Fortan galt seine größte Neugier den Menschen, Dingen und Geschichten dieses Landes. Er hatte sein ganzes Leben dem Studium und der Lehre der Sitten, Mythen und Geschichte Perus gewidmet, zuerst in Kopenhagen und dann in Odense. Und seit dreißig Jahren verbrachte er seine sämtlichen Ferien im peruanischen Hochland. Er fühlte sich in den Anden wie zu Hause.
    »Jetzt versteh ich, warum Sie so gut Spanisch sprechen«, murmelte Lituma voll Ehrfurcht.
    »Und dabei haben Sie ihn noch nicht Quechua reden hören«, schaltete sich Pichín ein. »Mit den Bergleuten hält er ausgiebige Schwätzchen, wie ein waschechter Indio.«
    »Sie sprechen also auch Quechua«, rief Lituma verwundert aus.
    »Die Varianten, die in Cusco und in Ayacucho gesprochen werden«, präzisierte der Prof, ohne die Genugtuung zu verhehlen, die ihm das Staunen des Polizisten bereitete. »Und auch ein bißchen Aymara.«
    Von allen peruanischen Sprachen, fügte er hinzu, hätte er jedoch am liebsten die Sprache der Huancas gelernt, jenes alten Kulturvolks der mittleren Anden, das später von den Inkas erobert wurde.
    »Besser gesagt, von den Inkas ausgelöscht wurde«, berichtigte er sich. »Die haben sich einen guten Ruf zurechtgebastelt, und seit dem 18. Jahrhundert reden alle von toleranten Eroberern, die die Götter der Besiegten übernahmen. Ein einziges Märchen. Wie alle Großmächte verhielten sich die Inkas brutal gegenüber den Völkern, die sich ihnen nicht willfährig unterordneten. Die Huancas und die Chancas haben sie praktisch aus der Geschichte verstoßen. Sie haben ihre Städte zerstört und die Menschen auseinandergetrieben, sie mittels des mitimae-Systems massiv umgesiedelt und durch das ganze Tahuantisuyo gejagt. Sie haben es fertiggebracht, daß kaum noch eine Spur von ihren Glaubensvorstellungen und Sitten bleibt. Nicht einmal von ihrer Sprache. Der Quechua-Dialekt, der in der Region fortlebt, war nicht die Sprache der Huancas.«
    Er fügte hinzu, daß die modernen Historiker keine große Sympathie für sie hegten, da sie den Spaniern gegen die Inkaheere geholfen hatten. Taten sie nicht recht daran? Sie folgten

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