Tod in den Anden
die Frau schrie los.
»Bring mich nicht um! Bring mich nicht um!« kreischtesie entsetzt, während sie das Gesicht verbarg, sich wand, sich mit Händen und Füßen zu bedecken suchte.
»Was erzählst du da, Tomasito!« Lituma erstarrte.
»Willst du sagen, daß du ihn kaltgemacht hast?«
»Halt den Mund!« befahl der Junge. Jetzt konnte er atmen. Der Aufruhr in seiner Brust hatte sich gelegt. Die Beine des Mannes glitten zu Boden und zogen dabei einen Teil des Moskitonetzes herunter. Er hörte ihn leise stöhnen.
»Du hast ihn also umgelegt?« beharrte Lituma. Auf einen Ellbogen gestützt, suchte er im Dunkel noch immer das Gesicht seines Amtshelfers.
»Bist du denn nicht einer seiner Wächter?« Die Frau sah ihn an, ohne zu begreifen, blinzelnd. In ihren Augen lag eine tierische Angst, in die sich jetzt Bestürzung mischte. »Warum hast du das getan?«
Sie versuchte sich zu bedecken, sie krümmte sich zusammen, hob eine Decke mit Blutflecken hoch. Sie zeigte sie ihm anklagend.
»Ich habe es nicht mehr ausgehalten«, sagte Tomasito. »Daß er Sie so geschlagen hat, um auf seine Kosten zu kommen. Daß er dabei war, Sie umzubringen.«
»Du liebe Güte!« rief Lituma und brach in Lachen aus.
»Was sagst du? Was?« Die Frau erholte sich allmählich von dem Schrecken, ihre Stimme war fester. Tomás sah, wie sie vom Bett sprang, stolperte, wie eine Sekunde lang ihre nackte Gestalt sich rötete, als sie unterder Petroleumlampe vorbeiging, und wie sie, wieder Herrin ihrer selbst und voll Energie, sich die Kleider anzuziehen begann, die sie vom Boden aufhob, ohne mit dem Reden aufzuhören: »Warum hast du auf ihn geschossen? Weil er mich geschlagen hat? Und wer hat dich gerufen, darf man das wissen? Und wer bist du überhaupt, darf man das wissen? Wer hat dich gebeten, dich um mich zu kümmern, darf man das wissen?«
Bevor Tomás ihr antworten konnte, hörte er Iscariotes eilige Schritte und seine sich überstürzende Stimme: »Carreño? Carreñito?« Die Treppenstufen erzitterten unter seinen Tritten, die Tür sprang weit auf. Da war seine Tonnengestalt, sie füllte den Eingang aus. Er sah ihn an, sah die Frau an, das zerwühlte Bett, die Decke, das heruntergefallene Moskitonetz. Er hielt den Revolver in der Hand und tänzelte hin und her.
»Ich weiß nicht«, murmelte der Junge, mit der mineralischen Materie kämpfend, in die sich seine Zunge verwandelt hatte. Auf dem Dielenboden, halb verschwommen, bewegte sich der Körper. Aber er stöhnte nicht mehr.
»Verdammt, was ist los«, keuchte der dicke Iscariote mit weit hervorspringenden Augen. »Was ist passiert, Carreñito?«
Die Frau hatte sich fertig angekleidet und zog sich die Schuhe an, bewegte erst das eine, dann das andere Bein. Wie im Schlaf erkannte Tomás das weiße, geblümte Kleid wieder, mit dem er sie an diesem Mittagauf dem Flugplatz von Tingo María aus dem Flugzeug aus Lima hatte steigen sehen, als Iscariote und er sie abholen kamen, um sie zum Chancho zu bringen.
»Frag den da, was passiert ist.« Ihre Augen blitzten, und sie bewegte eine Hand, mit der sie auf den am Boden Liegenden, auf ihn und wieder auf den am Boden Liegenden wies.
»Sie war so wütend, daß ich dachte, sie wird sich auf mich stürzen und mir das Gesicht zerkratzen«, sagte der Junge. Seine Stimme war sanft geworden.
»Du hast den Boß umgelegt, Carreño?« Der Dicke war fassungslos. »Du hast ihn umgelegt?«
»Ja, ja«, kreischte die Frau, außer sich. »Und wir, was wird jetzt mit uns.«
»Verdammte Scheiße«, wiederholte der dicke Iscariote, »verdammte Scheiße.« Er blinzelte pausenlos.
»Ich glaube, er ist nicht tot«, stammelte der Junge. »Ich habe gesehen, wie er sich bewegt hat.«
»Aber warum denn nur, Carreñito.« Der Dicke beugte sich herab, um den Körper zu betrachten. Er richtete sich gleich wieder auf und trat, verschreckt, einen Schritt zurück. »Was hat er dir getan? Warum?«
»Er hat sie geschlagen. Er wollte sie umbringen. Nur, um auf seine Kosten zu kommen. Ich kriegte keine Luft, Dicker, ich bin durchgedreht. Ich konnte diese Schweinerei nicht ertragen.«
Iscariote wandte ihm sein Vollmondgesicht zu, blickte ihn forschend an, mit vorgerecktem Kopf, als wollteer an ihm schnuppern oder ihm sogar mit der Zunge über die Haut fahren. Er öffnete den Mund, ohne etwas zu sagen. Er schaute die Frau an, er schaute Tomás an und schwitzte und keuchte.
»Und deswegen hast du ihn umgebracht?« sagte er schließlich, während er seinen krausen Kopf hin
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