Tod in der Königsburg
Cashel«, wiederholte Fidelma.
»Aber eine Schwester, die lange außer Landes war und . . .« Bruder Mochta blickte auf Eadulf. »Du kamst in Begleitung eines Mönchs der römischen Kirche.«
Eadulf errötete vor Zorn. »Macht einen das verdächtig in diesem Land?«
»Es ist eine Tatsache, daß die Befürworter der römischen Ordnung denen, die wie wir den Regeln unserer Väter folgen, nicht immer wohlgesonnen sind.«
»Habt ihr, du oder Bardán, wirklich geglaubt, ich könnte meinen Bruder und dieses Land verraten?« unterbrach Fidelma.
»Blut verbindet nicht zu gemeinsamen Zielen«, erwiderte Mochta ruhig. »Das habe ich zu meinem Schaden erfahren.«
»Vielleicht hast du recht. Aber warum habt ihr euch nicht Abt Ségdae anvertraut, der doch euer natürlicher Beistand in einer Notlage gewesen wäre.«
»Der Pater Abt ist ein ehrenhafter Mann. Er hätte meinen Plan, die heiligen Reliquien zu verbergen, nicht gutgeheißen.Er hätte sie in der Kapelle behalten im Glauben, dort wären sie sicher. Aber was dann? Das hätte geradezu zu einem Angriff auf die Abtei eingeladen. Was meint ihr, warum die Räuber nicht die Abtei selbst überfallen haben? Weil sie wußten, daß die heiligen Reliquien nicht mehr da waren.«
»Du weißt, wer die Angreifer waren?« forschte Fidelma.
»Ich habe eine starke Vermutung.«
»Na gut. Erzähl uns deine Geschichte von Anfang an«, forderte ihn Fidelma auf. »Dein Bruder Baoill war beteiligt an einer Verschwörung, das Königshaus von Cashel zu stürzen. Wie kam es dazu?«
Bruder Mochta legte sich zurück und sammelte seine Gedanken.
»Am besten fange ich ganz von vorn an. Ich wurde im Gebiet des Clans Brasil geboren . . .«
»Das wissen wir bereits«, unterbrach ihn Eadulf. Fidelmas Blick hieß ihn schweigen.
»Sprich weiter, Mochta«, sagte sie.
»Ich stamme also aus dem Norden. Mein Bruder und ich waren Zwillinge, wie ihr wißt. Wir waren uns so ähnlich, daß uns niemand auseinanderhalten konnte, zuweilen nicht mal unsere Mutter. Wir wuchsen wild und ungezügelt auf. Als wir uns dem Alter der Wahl näherten, bezahlte unser Vater einen wandernden Tätowierer dafür, daß er uns ungleiche Male auf die Unterarme zeichnete, damit wir zu unterscheiden seien. Wir bestachen den Tätowierer, und er brachte bei jedem von uns genau denselben Raubvogel auf dem Unterarm an . . .«
»Einen Bussard«, lächelte Fidelma. »Wie kamt ihr gerade auf diesen Vogel?«
»Er lebt nur an unserer wilden Nordostküste, und demTätowierer, der auch von dort stammte, war er wohlvertraut. Einen anderen Grund gab es nicht.«
»Ich verstehe. Sprich weiter.«
»Unser Vater war wütend auf uns, als er den Streich entdeckte. Unser jugendlicher Übermut und unsere Aufsässigkeit störten ihn schon seit einiger Zeit. Als wir das Alter der Wahl erreichten, sagte er uns, daß wir mit unserem Leben anfangen könnten, was wir wollten, vorausgesetzt, wir gingen beide aus dem Hause fort und fielen ihm nicht mehr zur Last.«
»Also gingt ihr ins Kloster«, ergänzte Eadulf, als der Mönch nachdenklich schwieg. »Ein merkwürdiges Leben für so mutwillige junge Männer. Gab es keine Berufe, für die ihr besser geeignet wart?«
»Unser Mutwille wurde spürbar gedämpft, als sich die Tür des Vaterhauses hinter uns schloß, mein angelsächsischer Bruder. Irgendwie kamen wir beide zu dem Entschluß, in die Abtei Armagh einzutreten, die auf dem Land unseres Clans steht, wo der heilige Patrick . . .«
»Wir kennen die Geschichte von Armagh«, versicherte ihm Fidelma kurz.
»Nun, dort wurden wir beide zum
scriptor
ausgebildet. Dann trennten sich unsere Wege. Mein Bruder entschied sich, der römischen Ordnung zu folgen, die in Armagh bevorzugt wird. Ich fand unsere traditionellen Regeln besser, lehnte mich gegen Armagh auf und ließ mir die Tonsur des heiligen Johannes schneiden. Meine Schreibkunst genoß einen guten Ruf, und so verabschiedete ich mich von meinem Bruder und ging eine Weile auf Wanderschaft. Ich diente in mehreren Abteien und sogar an Fürstenhöfen, wo Schreiber gebraucht wurden. Auf diese Weise kam ichschließlich in dieses Land und trat der Gemeinschaft von Imleach bei. Das war vor zehn Jahren.«
»Bist du in dieser Zeit mit deinem Bruder in Verbindung geblieben?«
Mochta schüttelte den Kopf. »Nur ein oder zweimal habe ich von ihm gehört. Durch ihn erfuhr ich, daß unsere Eltern gestorben waren. Wir hatten einen älteren Bruder, der den Bauernhof übernahm, aber wir waren uns alle fremd
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