Tod in der Königsburg
wütend. »Bei uns jedenfalls gilt, daß ihr eine Entschädigung zusteht, falls ihr so etwas zustößt, auch wenn sie eine
bé-táide
ist. Ihr halber Sühnepreis wird fällig.«
Eadulf fühlte sich getroffen von der Heftigkeit ihrer Entgegnung. »Ich dachte, daß einer Prostituierten eine solche Entschädigung nicht zustünde, und glaubte, sie könnte kein Eigentum erwerben«, lenkte er ein.
Fidelma ließ sich etwas besänftigen. »Sie kann Eigentum von ihren Eltern erben, doch im allgemeinen kann sie es nicht durch Heirat oder in einer Lebensgemeinschaft erwerben. Wenn Nutzen durch ihre Arbeit in einer solchen Verbindung entsteht, hat sie keinen Anspruch auf einen Anteil daran.«
Eadulf lächelte befriedigt. »Dann hatte ich also doch recht?«
»Nur daß du übersehen hast, daß eine Prostituierte sich von ihrer bisherigen Lebensweise abwenden und wieder in die Gesellschaft aufgenommen werden kann.«
»Und Della hat das getan?«
Fidelma bejahte es mit einer Geste. »Bis zu einem gewissen Grade. Nach der Vergewaltigung, die zu der Gerichtsverhandlungführte, bei der ich ihre Anwältin war, sagte sie sich von ihrem früheren Leben los und zog sich in das Haus zurück, das ihrem Vater gehört hatte. Das war vor ein paar Jahren. Bedauerlicherweise behandeln sie einige Leute immer noch mit Verachtung. Zu ihrem eigenen Schutz ist sie zur Einsiedlerin geworden.«
»Das ist aber keine Lösung«, erwiderte Eadulf. »In der Abgeschiedenheit findet man nur das, was man selbst mit hineingenommen hat.«
Fidelma schaute ihn an. Ab und zu formulierte Eadulf etwas so treffend, daß ihr wieder einmal klar wurde, warum sie den angelsächsischen Mönch mochte und sich auf ihn verließ. Zu anderen Zeiten wirkte er ungeschickt und ohne Gespür für Menschen und Situationen. Er war von zwiespältiger Art: einerseits brillant und scharfblickend, andererseits schwer von Begriff und unaufmerksam. Ihm schien die Beständigkeit zu fehlen. Er war so sehr verschieden von ihrer eigenen klaren, analytischen Art und ihrem lebhaften Temperament.
Auf ihrem weiteren Weg durch Cashel fielen sie wieder in Schweigen. Viele Leute erkannten sie und begrüßten sie mit einem Lächeln, während andere in Gruppen beieinander standen, sie mit unverhohlener Neugier ansahen und flüsternd Bemerkungen austauschten. Schließlich kamen sie ans Tor des Königspalasts.
Capa, der Kommandeur der Wache, stand davor.
»Willkommen daheim, Lady«, begrüßte er sie, als sie hineinritten. »Der Fürst von Cnoc Áine ist heute morgen hier eingetroffen, daher wußten wir, daß ihr auch bald kommen würdet.«
Fidelma wechselte einen Blick mit Eadulf.
Bevor sie noch etwas sagen konnte, eilte ihr Vetter Donndubháin, der erwählte Nachfolger Colgús, herbei und begrüßte sie lächelnd.
»Fidelma! Gott sei Dank, du bist in Sicherheit. Wir alle haben von dem Angriff auf Imleach gehört. Fürst Donennach bestreitet natürlich, daß die Uí Fidgente daran beteiligt waren . . . Was soll er auch sonst tun?«
Fidelma war vom Pferd gestiegen, und ihr Vetter umarmte sie. Sie schnallte ihre Satteltasche ab, Eadulf folgte ihrem Beispiel.
»Ihr könnt uns sicher viel von dem Überfall auf die Abtei erzählen«, fuhr Donndubháin aufgeregt fort. »Als wir davon erfuhren, hatte ich zu tun, deinen Bruder davon abzuhalten, mit seiner Wache nach Imleach zu reiten. Aber das . . .« – er sah sich verschwörerisch um – »hätte Cashel ohne Schutz gelassen, und es war ja auch mit Gionga und seinem Trupp Uí Fidgente zu rechnen.«
Fidelma wies Capa an, ihre Pferde in den Stall führen und versorgen zu lassen. Dann fragte sie ihren Vetter: »Hat sich hier sonst etwas getan, was ich wissen sollte?«
Donndubháin schüttelte den Kopf. »Wir haben gehofft, du bringst Neuigkeiten mit, die die rätselhaften Ereignisse erklären helfen.«
Fidelma lächelte schwach. »Solche Dinge sind niemals einfach«, erklärte sie müde.
»Dein Bruder, der König, möchte dich gleich sprechen«, fuhr ihr Vetter fort. »Macht es dir etwas aus? Oder möchtest du dich erst von der Reise erholen?«
»Als erstes spreche ich mit Colgú.«
»Es ist nicht erforderlich, daß Bruder Eadulf dich begleitet«, sagte Donndubháin und eilte ihnen voran.
»Ich sehe dich später«, sagte Fidelma mit einem entschuldigenden Lächeln zu ihrem Gefährten.
Colgú erwartete Fidelma in seinen Privatgemächern. Bruder und Schwester begrüßten sich herzlich, und Fidelma erkundigte sich sofort nach Colgús
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