Tod in der Königsburg
nicht viel von Giongas Vermutungen hielt.
Sie gingen zu dem kleinen Wäldchen. Von angebundenen Pferden war nichts zu sehen.
»Vielleicht hatten sie noch einen Komplizen«, mutmaßte Gionga, um seine Enttäuschung zu verbergen. »Er sah die beiden fallen und flüchtete mit den Pferden.«
»Vielleicht«, meinte Fidelma, die den Weg auf der anderen Seite des Wäldchens untersuchte. Hier gab es zu viele Huf- und Wagenspuren, als daß man etwas daraus hätte schließen können.
Gionga sah sich mit finsterer Miene um, als hoffte er, die Pferde würden plötzlich vom Himmel fallen.
»Was nun?« fragte Donndubháin und verbarg seine Befriedigung darüber, daß der Uí Fidgente unrecht behalten hatte.
»Jetzt«, seufzte Fidelma, »gehen wir zu Bruder Conchobar und sehen uns die Leichen der Attentäter genauer an.«
Bruder Conchobar stand an seiner Tür. Er trat beiseite und ließ sie ein.
»Ich habe dich erwartet, Fidelma«, sagte er. »Habe ich dir nicht vorausgesagt, daß dieser Tag uns nichts Gutes bringen würde?«
Gionga hörte das und fuhr ihn an: »Was meinst du damit, du alter Ziegenbart? Heißt das, du hast vorher von dem Überfall gewußt?«
Donndubháin ergriff Giongas Arm, denn der Krieger hatte den Alten grob an der Schulter gepackt.
»Laß ihn in Ruhe. Er ist ein alter Mann und ein treuer Diener Cashels«, sagte er scharf.
»Er hat eine solche Behandlung nicht verdient«, fügte Fidelma hinzu. »Er las Böses in den Sternen, weiter nichts.«
Gionga ließ die Hand verächtlich fallen. »Ein Astrologe?« Sein halblauter Pfiff klang ebenso spöttisch wie sein Tonfall.
Der alte Mönch zog seine verrutschte Kleidung mit ernster Würde zurecht.
»Sind dir die beiden Leichen gebracht worden?« fragte ihn Fidelma.
»Ich habe sie entkleidet und auf den Tisch gelegt, sie sonst aber nicht angerührt, so wie du es befohlen hattest.«
»Wenn wir fertig sind und nicht feststellen können, wer sie sind, dann kannst du sie waschen und in Leichentücher hüllen, aber wo du ihre Gräber absteckst, das weiß ich nicht.«
»Irgendwo ist immer Platz in der Erde, selbst für Sünder«, erwiderte Conchobar ernst. »Allerdings wird man nicht lange um sie klagen.«
In Irland dauerten die Begräbnisfeierlichkeiten oft zwölf Tage und Nächte, man trauerte und weinte neben dem Leichnam. Sie wurden
laithi na caoinnti
genannt, die Tage der Wehklage. Erst danach wurden die Leichen bestattet.
In der Apotheke stand ein großer Holztisch, mehr alsbreit genug für die Leichen der beiden Erschlagenen. Es war nicht das erstemal, daß Conchobar ihn zur Aufbahrung benutzte, denn oft hatte er die Pflichten des Leichenbestatters zu übernehmen. Die Leichen lagen nebeneinander und waren nackt, nur ihre Genitalien hatte der alte Mönch anstandshalber mit einem Leinentuch bedeckt.
Fidelma stellte sich an die Fußseite des Tisches, die Hände gefaltet, ihren leicht zusammengekniffenen Augen entging nichts.
Als erstes fiel ihr auf und belustigte sie auf makabre Weise, daß der eine Mann groß, dürr und fast kahl war, nur mit wenigen langen blonden Haaren im Nacken wie zum Ausgleich, während der zweite klein und füllig war mit einem dichten Schopf wirrer grauer Locken. Wie sie so nebeneinanderlagen, wirkten ihre körperlichen Unterschiede beinahe komisch. Doch die tödlichen Wunden, die Giongas Schwert ihnen geschlagen hatte, wandelten die Komik ins Groteske.
»Welcher von beiden war der Bogenschütze?« fragte Fidelma leise.
»Der Kahlköpfige«, antwortete Gionga sofort. »Der andere war sein Komplize.«
»Wo sind die Waffen, die sie führten?«
Aus einer Ecke holte Conchobar den Bogen und den Köcher mit einigen wenigen Pfeilen sowie ein Schwert herbei.
»Das hier brachten die Krieger zusammen mit den Leichen«, erklärte er.
Fidelma winkte ihm, er möge die Waffen hinlegen. »Ich sehe sie mir gleich an . . .«
»Moment mal!« fuhr Gionga dazwischen. »Bring den Köcher mit den Pfeilen her.«
Bruder Conchobar blickte Fidelma an, aber sie erhob keinen Einspruch. Sie wußte, was Gionga auf dem Dach des Lagerhauses gesehen hatte, und sie hielt es nicht für klug, das hinauszuzögern, was er unweigerlich beweisen würde. Der Apotheker reichte Gionga den Köcher. Der hochgewachsene Krieger nahm wahllos einen Pfeil heraus und hielt ihn ihnen hin.
»Was meinst du, woher dieser Pfeil stammt, Tanist von Cashel?« fragte Gionga mit gespielter Harmlosigkeit.
Donndubháin nahm den Pfeil und untersuchte ihn gründlich.
»Das
Weitere Kostenlose Bücher