Tod in der Marsch
das richtig?«
Der Mann hob ein wenig die Schultern und brummte vor
sich hin: »Könnte sein.«
»Was für ein Fahrzeug hat er dazu benutzt?«
»Ein dunkelblaues«, gab von Dirschau zurück.
Die Antwort war für Große Jäger Grund genug, den
Gutsbesitzer mit schneidender Stimme anzufahren: »Wenn Sie uns hier verarschen
wollen, dann lassen Sie es mich wissen. Auf diesem Gebiet habe ich auch einige
Nummern zum Gelingen der Revue beizutragen.«
Doch von Dirschau ließ sich nicht aus der Ruhe
bringen. Zu Christoph gewandt, ohne den Oberkommissar eines Blickes zu
würdigen, erwiderte er: »Sie sollten Ihren Kettenhund etwas enger an die Leine
nehmen, Herr Johannes. Wenn ich recht informiert bin, schreibt die
Landeshundeverordnung vor, dass bissige und undressierte Kampfhunde nur mit
Maulkorb in die Öffentlichkeit dürfen.«
Diese wohl überlegte Provokation saß. Große Jäger
sprang fast aus seinem Sessel heraus, holte tief Luft, besann sich dann aber
eines Besseren und ließ sich kommentarlos wieder zurückfallen.
Von Dirschau quittierte diese Aktion mit einem
zynischen Lächeln. Er wirkte durch und durch kontrolliert und spielte seine
Karten gut. Die Arroganz, die nach außen getragene Beherrschung, aber auch
seine Fähigkeit, einzelne Züge wie in einem Schachspiel im Voraus zu berechnen,
machten ihn zu einem schwierigen Gegner.
»Kommen wir noch einmal zu dem Fahrzeug zurück«,
übernahm Christoph das Gespräch. »Um welchen Typ handelte es sich?«
»Es war ein dunkelblauer Kombi.«
»Welches Fabrikat?«
» VW -Variant.«
»Und wem gehört dieses Fahrzeug?«
»Einem Kommilitonen meines Sohnes. Den Namen kann ich
Ihnen aber nicht nennen.«
»Ist Ihr Sohn im Haus? Dann könnten wir ihn direkt
befragen.«
»Nein, der ist über Nacht bei einem Freund. Er wird
erst morgen wieder hier sein.«
Christoph räusperte sich, dann fuhr er fort: »Wer hat
den Wagen gefahren, während der Zeit, als er hier zur Verfügung stand?«
»Mein Sohn natürlich. Er hatte während dieser Tage
sein Fahrzeug dem Kommilitonen überlassen. Schweren Herzens«, schob von
Dirschau ein. Dann entstand eine kurze Pause, als würde er weiter in seiner
Erinnerung kramen. Christoph vermutete, dass von Dirschau zu ergründen suchte,
warum sie ihm solch detaillierte Fragen zu diesem Wagen stellten.
Das Flackern in seinen Augen verriet, dass er eine
Ahnung zu entwickeln schien und eine passende Antwort parat hielt. Prompt
ergänzte er seine eben gemachten Angaben: »Ich habe das Fahrzeug auch ein-,
zweimal bewegt. Es bot sich an, da ich schnell etwas zu besorgen hatte. Der
Wagen stand vorn, ich hatte es nicht weit und habe deshalb aus Bequemlichkeit
den Variant genommen.«
Mommsen hakte jetzt nach. »Was verstehen Sie unter
Bequemlichkeit? Zum einen müssen Sie Sitz und Spiegel einstellen, außerdem
haben Sie die Fahrzeugschlüssel nicht dabei.«
»Die steckten immer im Wagen.«
»Trifft das grundsätzlich bei Ihnen zu? Auch bei Ihren
teuren Fahrzeugen?«, wollte Mommsen wissen.
Von Dirschau schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich
nicht. Das wäre ja Anleitung zum Diebstahl. Aber bei diesem Wagen traf es zu.
Da haben wir die Schlüssel einfach stecken lassen.«
»Finde ich richtig gut«, gab Große Jäger einen
Zwischenkommentar ab. »Die eigenen Fahrzeuge werden sorgfältig behandelt, aber
der geliehene Wagen kann ruhig entwendet werden. Sie sind mir ja ein feiner
Patron.«
Der Gutsbesitzer warf dem Oberkommissar einen
belustigten Blick zu, vermied es aber, ihm zu antworten.
»Das heißt, theoretisch hätte jeder mit dem Wagen
fahren können«, mischte sich Christoph wieder ein.
Von Dirschau nickte. »Das ist richtig. Zum Beispiel
auch der Herr Yildiz.«
»Der hat aber keinen Führerschein«, wandte Mommsen
ein.
»Das bedeutet doch noch lange nicht, dass er nicht
fahren kann.« Von Dirschau schnalzte angesichts solcher Kleingeistigkeit mit
der Zunge. »Die Brüder dort in Anatolien schert das doch herzlich wenig. Die
Burschen machen doch, was sie für richtig halten. Da fragt keiner nach irgendwelchen
Papieren. Ihre Vorstellungen von Recht und Ordnung müssen Sie gewaltig
revidieren, wenn Sie Anatolien mit unseren Verhältnissen gleichsetzen wollen.«
Im Stillen stimmte Christoph von Dirschau zu. Es war
durchaus denkbar, dass Mehmet Yildiz auch ohne den Besitz eines gültigen
Führerscheins in der Lage war zu fahren.
Jetzt galt es, den VW sicherzustellen und kriminaltechnisch untersuchen zu lassen.
Mommsen hatte bereits
Weitere Kostenlose Bücher