Tod in der Marsch
zusammen. Dann sprach er von den Zusammenhängen und noch
unbestätigten Vermutungen, dass der in Freiburg ausgeliehene Wagen
möglicherweise zum Transport der Toten benutzt worden sei.
»Es ist absolut lächerlich, eine solch haarsträubende
unbestätigte Vermutung zum Anlass zu nehmen, mich an einem Tag wie diesem hier
festzuhalten«, entgegnete von Dirschau. »Ich habe Ihnen schon einmal gesagt,
dass sich jeder andere das Fahrzeug unbemerkt hätte aneignen können. Ich würde
mich an Ihrer Stelle einmal etwas intensiver mit dem Türken auseinander setzen.
Der erweckt im ersten Moment den Eindruck von Freundlichkeit, Zurückhaltung,
Zivilisation, ach … was weiß ich nicht alles. Reißen Sie diesem Menschen einmal
die Maske vom Gesicht. Schauen Sie hinter die Fassade seines gleichförmigen
freundlichen Lächelns. Diese Leute haben doch andere Vorstellungen von der
Wertigkeit eines Menschen, insbesondere ein weibliches Wesen gilt nichts bei
denen.«
»Jetzt reicht es aber, Herr von Dirschau! Können Sie
eigentlich noch in einen Spiegel sehen?« Christoph war aufgesprungen.
Von Dirschau verzog das Gesicht zu einem Grinsen.
»Ganz gewiss, und viel leichter als Sie. Die Geschäfte, denen ich nachgehe,
sind erfolgreich. Ihre nicht! Sie haben einfach nicht die Fähigkeit, Ihren Job
ordnungsgemäß auszuüben. Sonst hätten Sie den Fall schon längst aufgeklärt.
Wenn Sie zielorientiert arbeiten würden, wäre der Türke schon seit langem von
Ihnen als Täter überführt.«
»Das überlassen Sie ruhig uns«, blaffte Große Jäger
aus seiner Ecke zurück.
Doch von Dirschau fuhr unbeirrt fort: »Ich selbst habe
doch gesehen, wie der Türke«, er sprach immer wieder vom Türken, ohne Mehmet
Yildiz beim Namen zu nennen, »in den Kombi gestiegen und davongefahren ist. Und
das, ohne vorher zu fragen …«
Verblüfft sahen sich die drei Beamten an.
»Sagen Sie das noch einmal!« Christophs Aufforderung
war rhetorisch gemeint.
»Ich habe den Mann daraufhin zur Rede gestellt, aber
anstatt einer Entschuldigung nur eine aggressive Antwort, verbunden mit einer
Drohung, erhalten. So, meine Herren, sieht Ihr sauberer Türke wirklich aus.
Ihnen gegenüber spielt er den Verschreckten, Unschuldigen, und im Kern ist er
ein gerissener Falschspieler, mit dieser undurchdringbaren Maske vor dem
Gesicht …«
Von Dirschau hatte sie schon oft angelogen. Er war
durchtrieben, intrigant, jederzeit auf seinen persönlichen Vorteil bedacht. Und
hier ging es um einen hohen Einsatz. Dennoch konnten sie die Beschuldigung, die
der Mann gegen Mehmet Yildiz erhoben hatte, nicht ungeprüft ignorieren.
So beschloss Christoph, das Verhör an dieser Stelle zu
unterbrechen und den Gutsbesitzer und Yildiz einander gegenüberzustellen.
*
Die kurze Pause nutzte Christoph, um seine Frau
anzurufen. Sie war gerade von letzten Einkäufen zurückgekehrt und atmete noch
schwer ins Telefon.
»In den letzten Stunden haben sich hier die Ereignisse
überschlagen«, berichtete Christoph. »Wir haben heute Nacht einen der Tat
dringend Verdächtigen festgenommen und führen jetzt Verhöre durch. Es gilt, die
vorliegenden Spuren zu festigen und die letzten Stücke des Puzzles zu einem
nicht widerlegbaren Beweis zusammenzufügen. Du wirst sicher verstehen, dass
diese außergewöhnliche Situation alle Planungen zunichte gemacht hat. Ich
fürchte, dass ich –«
»Das kann alles nicht wahr sein«, unterbrach ihn seine
Frau. »Das glaube ich dir nicht! Du bist nicht die Mordkommission, sondern an
eine unbedeutende Nebenstelle versetzt worden. Du willst mir nicht im Ernst
erzählen, dass dich die angebliche Aufklärung eines Doppelmordes darin hindert,
in den Weihnachtsurlaub zu fahren.«
»Doch! Ich möchte dir jetzt nicht die Einzelheiten
berichten, aber die Umstände –«
»Umstände? Ich höre: Umstände? Das sind vorgeschobene
Gründe. Die scheinen dir wichtiger zu sein als deine Familie . Ich bin
Anwältin . Ich vermag zu erkennen, was Wahrheit oder Dichtung ist. Und deine
Geschichte kann nicht stimmen. Eins sage ich dir: Du setzt dich augenblicklich
ins Auto und kommst heim. «
Dann hatte sie aufgelegt.
»Probleme?«, fragte Große Jäger. Er hatte wieder seine
Standardposition eingenommen, rauchte und trank zwischendurch laut schlürfend
Kaffee aus seinem schmutzigen Becher.
Christoph winkte ab. Ihm war im Augenblick nicht
danach zumute, über seinen ehelichen Zwist zu sprechen. Und so wich er aus und
erzählte, wie üblicherweise in seiner Familie die
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