Tod in der Marsch
jenen Wunsch zu ebnen?
»Hat von Dirschau jemals versucht, Ihren
Schwiegervater zu bestechen?«, raunzte Große Jäger die junge Frau an, die
erschrocken zurückwich.
Christoph sah ihr an, dass sie in diesem Augenblick
jede weitere Kooperationsbereitschaft einstellte.
»Ich glaube nicht, dass Frau Römelt so einen Verdacht
äußern wollte«, gab Christoph statt der jungen Frau die Antwort.
Große Jäger sah ihn zuerst etwas verwundert, dann aber
mit einem bösen Blinzeln in den Augen an. Ein Zucken umspielte seine
Mundwinkel. Er schien sich nur schwer zurückhalten zu können.
Frau Römelt atmete einmal tief durch.
»Ich meine, die Aufwandsentschädigung, die mein
Schwiegervater für seine Tätigkeit erhält, ist ein angenehmes Zubrot für ihn.«
Jetzt schaltete sich Mommsen ein. »Davon kann man aber
nicht leben. In Schleswig-Holstein übt der Bürgermeister kleiner Gemeinden sein
Amt ehrenamtlich aus.«
»Ich erzählte bereits, dass man, ist man erst einmal
gewählt, in der Regel auch in diesem Amt bleibt«, erklärte die Frau. »Das
bedeutet, dass Sie im Laufe der Wahlperioden natürlich eine Menge Leute kennen
lernen und auch selbst an Profil, vor allem aber Einfluss und Beziehungen
dazugewinnen. So trägt man Ihnen dann nach und nach weitere Ehrenämter an, zum
Beispiel im Wasserbeschaffungsverband, im Wegezweckverband, im Deichverband und
in vielen anderen Gremien. Mein Schwiegervater ist auch im Schulausschuss,
mischt bei der Kreissparkasse mit und vieles mehr. Und überall gibt es
Aufwandsvergütungen, Sitzungsgelder oder wie Sie die kleinen Entschädigungen
auch immer nennen möchten. Das kostet viel Zeit und Energie, aber die im
Einzelnen nicht sehr üppigen Vergütungen summieren sich. Und was ich noch
anfügen wollte: Im Unterschied zu Herrn von Dirschau, der niemandem
Rechenschaft ablegen muss und sein eigener Herr ist, gilt es für meinen
Schwiegervater immer wieder aufs Neue, sich zu bewähren und zu behaupten, sonst
wird er irgendwann doch nicht wiedergewählt. Und dann würde eben etwas fehlen,
und zwar nicht nur die Beschäftigung, sondern auch das Geld«, fügte sie fast
kleinlaut hinzu.
»Sie erklärten doch eben, dass der Amtsinhaber stets
wiedergewählt wird, und plötzlich erzählen Sie genau das Gegenteil«, sagte
Mommsen.
Frau Römelt sah ihn an.
»Natürlich werden Sie immer wiedergewählt, aber nur,
wenn Sie den Leuten nach dem Mund reden.«
Christoph verstand jetzt, warum der Bürgermeister sich
so energisch gegen ihre Arbeit gesträubt und ihnen Schwierigkeiten bei den
Ermittlungen bereitet hatte. Der Mann wollte alles Fremde, alles Unangenehme
von seinem Dorf fern halten. Hier herrschte noch eine besondere Form der
Basisdemokratie. Der Bürgermeister als »Dorfältester« wurde dafür
verantwortlich gemacht, wenn irgendwelche unvorhersehbaren, die Beschaulichkeit
des Alltags störenden Dinge eintraten. Man hielt ihn zwar nicht für den
Verursacher der Störung, erwartete aber, dass er diese Unannehmlichkeiten von
den Einwohnern fern hielt. Und zu diesen Dingen, die man gern außerhalb der
Dorfgrenzen verbannt wissen wollte, gehörte auch die Familie Brehm.
»Frau Römelt, wir möchten Sie bitten, die Dinge, die
Sie uns eben mitgeteilt haben, vorerst noch vertraulich zu behandeln und mit
niemandem, auch nicht im Kreise Ihrer Familie, darüber zu sprechen. Das wäre
für unsere weitere Ermittlungsarbeit von außerordentlicher Bedeutung.«
Die Frau nickte schweigend. Ihrem Gesichtsaudruck war
anzusehen, dass sie das Ganze nicht verstand. Und wenn sie etwas nicht begriff,
so musste es im Kreise der Familie erörtert werden. Das schien aus ihrer Sicht
eine zwingende Gesetzmäßigkeit.
»Was werden Sie jetzt unternehmen?«, fragte sie zum
Abschluss.
Bevor der Oberkommissar ihr auseinander setzen konnte,
dass sie jetzt dem Gutsbesitzer noch eine Reihe unangenehmer Fragen stellen
würden, antwortete Christoph ausweichend: »Das werden wir jetzt gemeinsam
abstimmen.«
*
In den Fenstern der wenigen Häuser, die sie
passierten, standen erleuchtete Lichtpyramiden, in einigen hingen auch mit
Glühbirnen ausgestattete Sterne.
Auf die drei Beamten wirkte die Stille und
Friedfertigkeit, die von dieser auf Besinnlichkeit einstimmenden Dekoration
ausging, wie ein Widerspruch zu den Ereignissen der letzten Tage.
Eine große, sich im Wind biegende Tanne, die bis zur
Baumspitze mit einer hellen Lichterkette geschmückt war, beleuchtete den Platz
neben dem Eingang zum Gutshaus.
Mommsen
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