Tod in der Walpurgisnacht
Riesenfeuer nicht bemerkt wird.« Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken und holte tief Luft. »Es handelt sich bei dem Opfer also um einen gewöhnlichen, krebskranken Rentner, der ein ruhiges Leben gelebt hat. Wer ermordet so jemanden?«
»Jemand, der schon lange Zeit mit ihm über Kreuz ist«, sagte Jasinski. »Was meint ihr, hatte er Geld unter der Matratze?«
»Vielleicht lebte er gar nicht so ein ruhiges Leben«, gab Martin Lerde mit einer tiefen Falte zwischen den Augenbrauen zu Bedenken. »Stille Wasser …«
»Es geht hier ja wohl kaum um einen Raubmord mit gestohlener Brieftasche, oder?«, fügte Jasinski hinzu.
»Jetzt wollen wir nicht länger rumraten, sondern fangen mal an zu arbeiten«, sagte Claesson, stand auf und bat Peter Berg, die Karten auszubreiten, die er dabeihatte.
Sie teilten die Wohngebiete untereinander auf. Es galt, ausgehend von dem Ort, wo das Feuer war, an so vielen Türen wie möglich zu klingeln. Claesson zeigte auf das Folkets Hus.
»Hier ist unser Hauptquartier. Wir treffen uns dort heute Nachmittag.«
Für die Mittagspause wurden das Restaurant am Glas-Shop und das kleine Café im Hof am Fluss empfohlen. Man konnte kaum erwarten, dass die fürsorgliche Gemeinderätin Kerstin Dahl an zwei Tagen hintereinander mit Kaffee und Kuchen vorbeikommen würde.
Peter Berg, Martin Lerde und Mustafa Özen von der Mordkommission fuhren direkt mit den uniformierten Polizisten nach Hjortfors.
Claesson und Jasinski würden erst in Döderhult vorbeifahren und dort mit der Tochter, Sofia Skoglund-Bladh, einer verheirateten Grundschullehrerin, sprechen.
»Jetzt fahren wir zu zweit zu ihr, und dann können wir uns in Hjortfors ja aufteilen, damit wir überhaupt mal vorankommen«, sagte er zu Jasinski.
Kapitel 37
Hilda, am Freitag, den 25. März 2011
S am und Lejla standen auf der Kirchentreppe und warteten auf sie.
»Hallo«, sagte Hilda, und ihr Herz schlug schneller, als sie Sam sah. Sie wollte ihn spontan umarmen, schämte sich aber ein wenig, weil Lejla danebenstand.
Also zögerte sie und wollte eben höflich die Hand ausstrecken, um ihn wie einen Fremden zu begrüßen, da lachte Sam.
»Hi, Schwesterchen«, sagte er und nahm sie in den Arm. »Schön, dich zu sehen«, hörte sie seine kratzige Stimme sagen, derweil er sie fest und lange umarmte. Sie standen eng umschlungen da, und die Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Entschuldigung«, sagte sie und wischte sich die Augen, als er sie losließ. Lejla bekam eine kürzere Umarmung.
Dann gingen sie zum Parkplatz. Sie redeten über unwichtige Dinge, und das war schön. Doch, die Reise war gut gewesen, und sie hatte einen phantastischen Stoff gefunden, erzählte sie. Verstohlen sah sie zu Sam, versuchte abzulesen, in welchem Zustand er war, hielt sich aber zurück, damit sie ihn nicht mit Fragen überschüttete. Sie hatten Zeit, es musste nicht alles auf einmal erledigt werden.
Hilda entspannte sich. Sam sah gut aus, gar nicht mehr so aufgedunsen im Gesicht und mit starrem Blick wie das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte. Da war er ihr ausgewichen, denn ihm war klar, dass sie wusste, wie es um ihn stand. Damals fuhr sie schweren Herzens nach Lund zurück, auch wenn Lejla gesagt hatte, dass es nicht so schlimm sei. Klar, Sam hätte Phasen, in denen er etwas mehr trinken würde, aber dazwischen wäre alles ganz normal. Das hatte Hilda überhaupt nicht beruhigen können. Vielmehr hatte sie das Gefühl, dass Lejla Sam so sehr bewunderte und anbetete, dass sie alles akzeptierte. Zumindest traute sie sich aus Furcht, dass er sie verlassen könnte, nicht, mit ihm zu streiten.
Jetzt wandte sich Sam Hilda zu, grinste sie an und sah plötzlich aus wie früher, als sie Kinder waren. Den Schalk im Nacken, wie Mama immer sagte. Sie und er. Dieselbe Familie, die Geschwisterliebe, dachte Hilda, und diese selbstverständliche Zugehörigkeit wärmte ihr wie ein Kamin an einem kalten Wintertag das Herz. Er wich ihr gar nicht aus. Und er hatte auch keine dunklen Ringe unter den Augen oder rotfleckige Wangen.
Sie wohnten in der Tegnérgatan, erzählte Lejla im Auto. Das war ein ruhiges Wohngebiet mit zweistöckigen Mehrfamilienhäusern aus den Zwanzigerjahren und schönen Fassaden in sanften Farbtönen.
Hilda empfand ein dumpfes Unbehagen, als sie aus dem Auto stiegen. Vielleicht sollte sie sich trotz allem Sorgen machen? Lejla war nett, aber sie störte, denn Hilda wollte mit Sam allein sprechen, sie wollte, dass sie ihre Erinnerungen entfalten
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