Tod in der Walpurgisnacht
vielleicht zwei Jahren nach Kalmar gezogen. Ich weiß nicht mehr genau, wann, die Zeit vergeht so schnell.«
»Ist Ihr Kontakt zu Ihrem Bruder eng?«
»Nicht besonders. Aber wir sind uns nicht uneinig, sondern nur verschieden. Er hat seine Arbeit in der Glashütte und dann das Boxen und so.«
Claesson erinnerte sich plötzlich an den Lärm aus dem Keller im Folkets Hus.
»Das heißt, Ihr Bruder boxt?«, fragte er.
»Ja, mal mehr, mal weniger, aber in der letzten Zeit wohl häufiger. Vorher hatte er ja seine Freundin.«
In gewisser Weise, dachte Claesson.
»Hatten Sie irgendwelche Konflikte mit Ihrem Vater?«
»Nein«, erwiderte sie und schüttelte den Kopf, als sei das ein völlig unnützer Gedanke.
»Ihre Mutter und Ihr Vater haben lange zusammengelebt, oder?«, fragte Jasinski.
»Ja, über vierzig Jahre.«
Sofia Skoglund-Bladh richtete sich auf dem Stuhl auf und schob die Schulter zurück. Sie ist wachsam, dachte Claesson und beobachtete sie schweigend. Die Hände lagen auf ihrem Schoß, sie hatte ein Stück Küchenpapier, mit dem sie sich die Wangen abgewischt hatte, zu einem Bällchen zusammengeknüllt. Die Wangen, die zuvor ganz weiß gewesen waren, leuchteten jetzt feuerrot.
»Wie würden Sie die Beziehung Ihrer Eltern beschreiben?«, fuhr Jasinski fort.
Sofia Skoglund-Bladh zuckte zusammen.
»Ganz normal, würde ich sagen. Gewöhnlich.«
Jasinski nickte.
»Sie würden also sagen, dass die beiden sich über das meiste einig waren.«
»Ja, warum auch nicht?«, erwiderte sie und errötete jetzt, und ihre Miene erstarrte. »Sie führten eine völlig normale Ehe und haben nicht sonderlich oft gestritten. Papa hat sich um seine Sachen gekümmert, er hat ja immer viel zu tun gehabt mit der Arbeit und allem anderen.«
»Was hat er noch alles gemacht?«, fragte Jasinski.
»Nun, seine Vereine, er hat sich um die Allmende gekümmert und um den Badeplatz.«
Ja, genau, fiel Claesson ein. Der Verein zum Erhalt der Allmende und des Badeplatzes. Da war Eberhard Lind natürlich auch drin und eine Reihe Männer, die Lundin kannte und mit denen sie sprechen würden.
»Haben Sie je die Erfahrung gemacht, dass Ihre Eltern sich gegenseitig etwas angetan haben? Vielleicht durch seelische Erpressung oder vielleicht mit Gewalt?«, fragte Jasinski.
Sofia Skoglund-Bladh sah sie erschrocken an.
»Nein, das habe ich wirklich nie erlebt«, sagte sie entschieden. »Mein Vater hat immer das Sagen gehabt, aber meiner Mutter gefiel das, sie hatte ja ihre eigenen Sachen. Aber er hat sie nie geschlagen.«
Sie blickte zu der Lampe aus weißem Metall, die wie eine Untertasse über dem Tisch hing, dann aus dem Fenster, dann zurück zu Jasinski. Sie sah aus, als wolle sie noch »soweit ich weiß« hinzufügen.
»Hat Ihre Mutter denn geäußert, dass sie es gut fand, dass Ihr Vater das Sagen hatte? Ich meine, das ist in einer Ehe ja nicht ungewöhnlich«, schob Claesson ein.
Sofia Skoglund-Bladh hielt die Luft an, während sie nachdachte.
»Nein, aber man konnte merken, dass sie es bequem fand. Mama ist es immer leichtgefallen … sich anzupassen.«
Schwang da eine gewisse Verachtung gegenüber der Mutter mit? War Sofia in Wirklichkeit mehr die Tochter ihres Vaters?
»Können Sie ein Beispiel geben, worüber er bestimmte?«, fragte Claesson.
Wieder wandte sie das Gesicht zum Fenster, das Sonnenlicht spiegelte sich in ihren Pupillen.
»Wenn etwas Größeres angeschafft werden sollte. Ein Möbelstück, ein Fernseher, Küchengeräte oder so etwas.«
»Sie meinen Dinge, die richtig Geld kosteten?«
»Er hat sich um die Finanzen gekümmert, das war schließlich in dieser Generation so. Aber er ist auch immer sehr hilfsbereit gewesen«, versuchte sie, ihre Aussage gleich zu relativieren. »Er half vielen, er unterstützte sie, wenn etwas passiert war. Mein Vater hatte einen sehr guten Ruf.«
Erstaunlicherweise war Claesson bisher noch nichts von diesem guten Ruf begegnet. Das hatten sie wohl übersehen. Und interessanterweise war dieser Ruf verstummt.
»Natürlich bereue ich, dass ich in der letzten Zeit nicht öfter dort gewesen bin. Ich wusste, dass Vater abbaute, meine Mutter sagte, es würde sehr schnell gehen. Er wurde immer blasser, schwächer und kraftloser. Ich glaube, die Gemeindeschwester war dort und hat nach ihm gesehen, und er war auch beim Arzt, aber in der letzten Zeit ging es galoppierend schnell«, sagte sie angestrengt.
Claesson und Jasinski sahen sich an, ein Signal, dass es an der Zeit war sich zu
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