Tod in der Walpurgisnacht
erklären.
»Können wir woanders hingehen?«, fragte er und wurde ins Wohnzimmer gebeten, das von einem Großbildschirm-Fernseher und einem Ledersofa dominiert wurde.
»Waren Sie kürzlich in Kalmar?«, fragte Lerde.
Rosenkvist starrte auf den Teppich, der eine ganze Weile nicht mehr gestaubsaugt worden war. Weiße Fadenreste, Kies und Brotkrümel waren zu sehen. Der Mann konnte ja auch nicht alles schaffen, dachte Lerde.
»Manchmal bin ich wegen der Arbeit dort«, erwiderte er.
Lerde sagte, es ginge um den letzten Freitag:
»Also, waren Sie an dem Tag dort?«
»Kann sein.«
»Kann sein, sagen Sie? Heißt das ja oder nein?«
Rosenkvist dachte eine Minute lang nach.
»Wieso?«
»Kann es sein, dass Sie in Kalmar Damenbekleidung eingekauft haben?«
Seine Miene veränderte sich, er fühlte sich ertappt.
»Wer sagt das, verdammt noch mal?«
»Antworten Sie auf meine Frage«, mahnte Lerde.
»Ja, ich habe in Kalmar Kleider gekauft, aber …« Jetzt zeigte sich so etwas wie Hoffnung auf seinem Gesicht. »Aber sagen Sie Liv nichts davon. Es soll eine Überraschung sein«, erklärte er mit gesenkter Stimme, als ob Lerde und er ein Geheimnis teilen würden.
»Das heißt, die Kleider sind für sie?«
»Ja. Als Überraschung.«
»Wann soll sie die bekommen?«
»Ähm, wenn es sich ergibt.«
»Ergibt?«
»Wenn es der richtige Zeitpunkt für eine Überraschung sein wird.«
»Sie meinen am Geburtstag?«
»Nee«, sagte Rosenkvist und schüttelte den Kopf.
Lerde ahnte, dass da was nicht stimmte. Man lief doch nicht los und kaufte Kleider für eine Frau, um sie dann für den Fall des Falles auf Lager zu haben.
»Könnten Sie mal die Tüte mit den Kleidern holen und mir zeigen?«, bat er.
»Die hab ich leider nicht hier.«
»Und wo haben Sie die?«
»Im Büro. Es soll schließlich eine Überraschung sein, deshalb habe ich sie dort versteckt.«
»Aber da kann sie die Tüte ja erst recht finden, schließlich hockt sie den ganzen Tag dort«, gab Lerde zu bedenken. »Und Sie haben die Kleider nicht zufällig einer anderen Frau gegeben?«
Lerde bildete sich ein, eine Veränderung in Rosenkvists Gesicht zu bemerken. Der schüttelte den Kopf, als hielte er Lerde für einen vollkommenen Idioten.
»Wem denn, wenn ich fragen darf?«, erwiderte Rosenkvist mit einem Hauch zu viel Ironie in der Stimme. Gerade so, als ob er etwas zu verbergen hätte.
»Ich stelle hier die Fragen, Sie sind für die Antworten zuständig«, beharrte Lerde.
»Die Kleider sind im Büro«, wiederholte Rosenkvist. »Es gibt keine andere Frau, und wenn es so wäre, dann würde es Sie auch nichts angehen.«
Lerde erwog, ihn schon heute Abend zur Herausgabe der Kleider zu zwingen. Er könnte mit dem Mann nach Kristdala in das Büro des Betriebs fahren, aber dann dachte er an die Kinder. Die mussten jetzt ins Bett gebracht werden.
»Dann sagen wir so«, erklärte er im Befehlston, »Sie kommen morgen in unserer Dienststelle vorbei und zeigen mir die Kleider.«
Lerde wusste, dass das eigentlich zu viel verlangt war, denn der Mann hatte natürlich das Recht zu kaufen, was und wo er wollte, auch wenn es Damenbekleidung in Kalmar war.
»Können Sie mir sagen, was für eine Arbeit Sie in Kalmar zu erledigen hatten?«, fragte Lerde.
Rosenkvist seufzte.
»Ich war nicht zum Arbeiten dort«, gab er zu. »Ich war in der Nähe, und zwar in Ålem, und habe da gearbeitet. Danach bin ich nach Kalmar rübergefahren.«
Ålem, dachte Lerde. Wer in Ålem bestellte sich einen Elektriker aus Kristdala? Das war mindestens vierzig oder fünfzig Kilometer weit weg. War es da nicht einfacher, jemanden aus Monsterås zu holen?
»Das heißt, Sie waren sozusagen auf einem kleinen Ausflug nach Kalmar?«
Sie setzten sich, Lerde in einen unglaublich riesigen Sessel mit zerknittertem Bezug und Pär Rosenkvist aufs Sofa.
Lerde wartete auf Rosenkvists Antwort.
»Ja, das kann man sagen«, erwiderte der schließlich.
»Sie haben sich also ein wenig frei genommen und sind nach Kalmar«, verdeutlichte Lerde.
Ich gebe auf, dachte er. Fürs Erste. Pär Rosenkvist folgte ihm durch die Diele, wo Kinderschuhe und Gummistiefel in einem einzigen Durcheinander herumlagen. Als sie an der Kellertreppe vorbeikamen, erinnerte sich Lerde, dass Pär Rosenkvist da unten ein Heimbüro hatte. Wahrscheinlich schaffte er es nicht mehr oft, dort zu sitzen, wenn die beiden Kinder oben herumtobten. Als Tina vermisst gemeldet worden war, hatten sie das Haus komplett auf den Kopf
Weitere Kostenlose Bücher