Tod in der Walpurgisnacht
gestellt.
Lerde fuhr im sanften Abendlicht nach Oskarshamn zurück. Ein Frühlingsschimmer zum Verlieben. Ihn durchlief dieser warme, glitzernde Gefühlsstrom, der die restliche Welt verblassen ließ. Zum Glück konnte er dieses freudige Gefühl trotz allem noch verspüren und nicht nur das Schwarze und Resignative. Das Licht draußen gab ihm einen Schub. Wie eine Verliebtheit ohne bestimmtes Ziel.
Das wäre zumindest mal eine Huldigung an das Leben, dachte er und kam sich zugleich ein wenig lächerlich vor.
Er brachte das Auto zurück und fuhr nach Hause.
Kapitel 41
J anne Lundin saß zu Hause bei Eberhard Lind auf einem Küchenstuhl und schlürfte Brühkaffee. Ebbe, wie er seit Urzeiten genannt wurde, wohnte im oberen Stockwerk eines Vierfamilienhauses. Unter ihm wohnte seine uralte Mutter, der er so gut er konnte half, damit ihr der Pflegedienst erspart blieb.
»Die kommen ihr nicht noch mal ins Haus«, erklärte Ebbe. »Fremde Menschen, die überall herumrennen, denen kann man doch nicht trauen. Einer davon war sogar Ausländer!«
»Ah so«, erwiderte Lundin und vertiefte das Thema lieber nicht. Er sah seinem alten Schulkameraden ins Gesicht und entdeckte erstaunlicherweise Züge, die ihn an die Zeit erinnerten, als sie beide klein waren. Ebbe war zwar zwei Klassen höher als Lundin, aber sie hatten sich trotzdem gut gekannt, denn die Schule war nicht groß, und Hjortfors schließlich auch nicht.
Johannes Skoglund aber war zu alt, als dass sich Lundin noch an ihn erinnern konnte. Die Jungs, die vier oder fünf Jahre älter waren, gehörten einer ganz anderen Generation an.
Nun saß Lundin in der aufgeräumten Küche von Ebbe und sah sich um. Ebbe war sehr ordentlich. Ob er das alles allein machte? Warum eigentlich nicht? Oder hatte er jemanden, der für ihn aufräumte und putzte?
Lundin hatte natürlich angekündigt, dass er aus dienstlichen Gründen kam.
»Jaja, das muss dann wohl sein«, sagte Ebbe. »Das ist dein Job. Aber ich habe nichts zu verbergen.«
Und dann machte er den Mund zu, zog die Mundwinkel entschlossen nach unten und sah auf die Tischplatte.
»Aber vielleicht hast du ja etwas Wichtiges gesehen«, begann Lundin aufmunternd.
»Ich weiß nicht recht«, meinte Ebbe ausweichend. »Was könnte das sein?«
»Das weiß man nie vorher«, schob Lundin ein und lächelte freundlich.
Ebbe sah ihn streng an.
»Ich habe da nichts Bestimmtes im Sinn«, beruhigte ihn Lundin und stellte die Kaffeetasse ab.
Ebbe hatte dieselben fülligen Wangen wie früher, die jetzt wie bei einem Hamster herunterhingen, und sein Haar kräuselte sich immer noch über den Ohren, stellte Lundin fest, wenngleich die Haarsträhnen jetzt nicht mehr blond waren, sondern grau. Engelshaar war das, wenn auch der gute Ebbe kaum ein Engel war.
Sein Kopf war kahl und braungebrannt, als liefe er ständig ohne Mütze herum, was er nicht tat. Als Lundin ihn gesehen hatte, trug er stets eine winddichte Ohrenlappenmütze, die jetzt, da der Frost aus dem Boden war, kaum mehr notwendig war. Aber eine Mütze schützte nicht nur vor Kälte, sondern auch vor Zudringlichkeit, wie bei allen Jugendlichen, die im Haus mit Mütze herumliefen. Das könnte auch eine Methode sein, um eine beginnende Glatze zu verbergen, aber über diese Art von Eitelkeiten war Ebbe sicher längst hinweg.
Lundin lächelte Ebbe jetzt nicht mehr übermäßig zu, denn schließlich war er dienstlich hier und wollte dabei nicht einschmeichelnd wirken. Aber er versuchte, ein freundliches Gesicht zu machen, damit Ebbe der Kaffee nicht in die falsche Kehle geriet.
»Du hast es gut hier«, begann er und merkte, wie es ihm zuwider war, den alten Schulkameraden auszufragen.
»Ich kann nicht klagen«, erwiderte Ebbe, ohne eine Miene zu verziehen.
Ebbe hatte schon immer diesen wachsamen und gleichzeitig gutmütigen Blick gehabt, aber auch Unruhe und Trägheit waren da, klar erkennbar für alle, die Ebbe lange kannten. Wahrscheinlich war er nie sicher, ob er gut genug war. Er musste immer wachsam sein und alle, die er traf, taxieren. Waren sie ihm wohlgesonnen oder nicht?
Das vermutete zumindest Lundin. Er erinnerte sich an früher, und das musste Ebbe ja auch klar sein, auch wenn sie jetzt nicht darüber sprachen. An so manche alte Geschichte rührte man lieber nicht, sondern begrub sie besser. Lundin vermied es sorgsam, sich die Bilder jetzt ins Gedächtnis zu rufen, von dem Jungen, der dreckig, eingepinkelt, blutend und zusammengeschlagen kaum allein nach Hause
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