Tod in der Walpurgisnacht
immer zugegen und flackerte in seinem Blick auf. Fast unmerklich zuckte er mit den Schultern.
»Ich will nur wissen, was du glaubst«, versicherte Lundin.
»Das kommt wohl drauf an, wer ihn hebt.«
»Hättest du das allein geschafft?«
Die Nervosität wurde noch größer, das konnte Lundin erkennen. Ebbe sog die Lippen ein, saß aber weiter wie versteinert da. Er holte tief Luft, und die Furcht entlud sich, als die Luft durch die Nasenlöcher ausströmte.
»Das war jetzt schlecht ausgedrückt. Ich will damit nicht sagen, du wärst es gewesen«, erklärte Lundin und klang entspannt.
»Er war nicht schwer, also Skoglund, nicht so wie früher, als er noch in der Hütte gearbeitet hat. Jetzt hätte man ihn sicher ohne Probleme tragen können«, meinte Ebbe.
»Leicht?«
»Total leicht.«
»Aber ihn in den Scheiterhaufen zu kriegen, das kann nicht leicht gewesen sein«, sagte Lundin und stellte sich dumm, damit Ebbe, der sich offensichtlich einige Gedanken gemacht hatte, weiterredete. »Die Leiche lag schließlich ziemlich weit oben im Feuer!«
»Das ist doch kein Problem«, berichtigte Ebbe ihn. »Dann muss man eben auf etwas Festem stehen.«
Auf etwas stehen?, dachte Lundin. Worauf denn? Er stellte sich die Allmende vor.
»Das stimmt. Und was könnte das gewesen sein?«, arbeitete Lundin sich weiter vorwärts und kam sich vor wie ein Hund, der eine Witterung aufgenommen hat.
»Es gibt da doch diese Tische«, sagte Ebbe treuselig und begriff vielleicht nicht, dass derart detaillierte Informationen auf ihn zurückfallen könnten.
»Die Tische?«, fragte Lundin nach, und ihm wurde klar, dass er mit Ebbe noch mal zur Allmende fahren und ihn am Tatort herumführen musste. »Ich weiß nicht, welche Tische du meinst.«
»Na diese, an denen man picknicken kann, mit festen Bänken«, erklärte Ebbe und paddelte mit beiden Armen in der Luft.
»Ah, es gibt also solche Tische dort?«
»Ja, zwei Stück, unten zum See hin, und die waren auch dort. Es ist nicht unmöglich, einen davon zum Feuer zu tragen und dann auf die Bank und dann auf den Tisch zu steigen, und …«
Ebbe war keineswegs dumm, dachte Lundin. Manche Leute brauchten einfach mehr Zeit.
Es klingelte in Lundins Hosentasche. Das war Claesson, der zusammen mit Jasinski im Folkets Hus angekommen war und nicht reinkonnte.
»Ich komme gleich«, sagte Lundin ins Handy.
Dann wandte er sich Ebbe zu.
»Jetzt muss ich los. Aber sag mal«, fügte er noch in kameradschaftlichem Ton hinzu, »was für einer war Skoglund eigentlich?«
Ebbe sah auf seine Hände und wog seine Antwort ab.
»Also, wenn du mich fragst, er war ein richtiges Arschloch!«
Lundin schluckte. Bisher hatte er von allen Seiten nur Lobeshymnen gehört, wie phantastisch Skoglund in der Glashütte gewesen sei, wie geschickt er mit den Designern zusammengearbeitet habe, wie engagiert er in allem gewesen sei, im Verein zur Erhaltung der Allmende und darin zu helfen und andere zu unterstützen. Die Schwachen der Gesellschaft. Und war er nicht auch tiefgläubig gewesen? Was immer das mit der Sache zu tun hatte.
»Erzähl mehr«, forderte Lundin den anderen auf, obwohl er keine Zeit mehr hatte.
Ebbe zog die Lippen zusammen.
»Da kannst du jeden fragen, aber mehr sage ich nicht.«
»Ich werde noch mal darauf zurückkommen«, sagte Lundin und schlug Ebbe auf die Schulter.
Kapitel 42
Hilda, Sonntag, den 3. April 2011
H ilda betrachtete Sams Hände, die auf dem Lenkrad ruhten. Auf den Fingern glänzten kupferfarbene Härchen, genau wie bei Papa. Ansonsten hatte Sam dunkle Haare, nicht die mittelblonden von Papa.
Papa hatte breite Handrücken gehabt, sichere Hände, die ein Mädchen zur Decke hochwerfen konnten. Dabei rief er immer: »Und hoch geht’s, in den Himmel!«, bis ihr vor Lachen fast die Luft wegblieb. »Pass auf die Lampe auf!«, warnte die Mutter im Hintergrund, ohne jedoch böse zu sein.
Sie erinnerte sich an so schrecklich viel. Sie ließ die Erinnerungen vorbeiziehen und betrachtete Sams Hände; er hatte kurze Finger, mit gerade geschnittenen Nägeln, genau wie sie selbst. Ihre Hände gehörten zusammen.
Verwandtschaft. Geschwisterschaft. Schwester und Bruder.
Wehrhafte Hände, nicht schmal und lang. Sie hatte im Operationssaal Handschuhgröße 6,5, die meisten Frauen verwendeten anscheinend 7,0, das war ihr klar geworden, nachdem die Schwester sie nach ihrer Größe fragte. Manchmal hatten sie sogar ein Paar in 7,0 rausgesucht, die sie sich aus purer Höflichkeit von der
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