Tod in der Walpurgisnacht
Ideen.
Vor dem gruselig grünen Haus war das blau-weiße Absperrband der Polizei gespannt. Zu Lundins Erstaunen stand ein alter Toyota Corolla vor dem roten Haus. Da war offensichtlich jemand da. Er parkte und ging zum Haus, doch niemand öffnete.
Das machte nichts, denn über Walpurgis und den Ersten Mai hatte das Haus scheinbar leer gestanden. Wahrscheinlich hatten sich dort keine Zeugen aufgehalten.
Er ging ums Haus und sah in die Fenster. Keine Menschenseele zu sehen. Auf dem Fußboden des Wohnzimmers konnte er eine dunkle Tasche erahnen. Das Zimmer wurde jetzt offensichtlich als Arbeitsplatz genutzt, mit einem großen Zeichentisch mitten im Raum und einigen Glasgegenständen in den Fenstern. Das waren wahrscheinlich Prototypen, darunter ein klobiger Kerzenleuchter in verschiedenen Größen. Wie ein umgedrehter Eiszapfen.
Er fuhr weiter. Zu Hause auf dem Vorplatz stand Monas kleiner Fiat. Er machte die Tür auf, duckte sich, um sich nicht den Kopf zu stoßen, und wurde von wunderbaren Düften begrüßt. Schnell hängte er die Jacke an einen schmiedeeisernen Haken und ging in die Küche.
»Das riecht aber gut!«, sagte er und merkte erst jetzt, wie hungrig er war.
»Heute gibt’s was Einfaches«, sagte sie. »Fleischpfannkuchen mit Preiselbeeren aus der Tiefkühltruhe. Die sind gleich fertig.«
»Gott im Himmel, ist das gut«, erwiderte er und pries seine Ehefrau. Dicke, goldbraune Pfannkuchen aus dem Ofen waren für ihn eine Delikatesse.
Obwohl es schon sechs Uhr war, war es draußen immer noch hell, und sie mussten über dem Esstisch kein Licht machen. Lundin aß langsam und genoss die Mahlzeit und die Stille über dem See vor dem Fenster. Sie tranken Leichtbier, doch eigentlich waren Fleischpfannkuchen, ebenso wie Zimtschnecken, für ihn immer mit Milch verbunden, denn so hatte es sie in seiner Kindheit gegeben.
»Wir kann man nur auf die Idee kommen, jemanden in ein Feuer zu legen?«, fragte Mona plötzlich.
»Wir suchen nach einer vernünftigen Antwort darauf«, erwiderte er. »Aber in Extremsituationen kommen die Leute auf alles Mögliche. Vielleicht ging es darum, keine Spuren zu hinterlassen. Die Leiche sollte gänzlich in Rauch aufgehen und zu Asche werden.«
»Wer das getan hat, der hat sicher nicht damit gerechnet, dass vorne in der ersten Reihe zwei Polizisten stehen würden«, kicherte sie.
»Und auch nicht damit, dass es derart stinken würde, dass es auf jeden Fall bemerkt würde, auch wenn wir nicht da gewesen wären.«
»Weißt du, ich habe heute in Ruhe darüber nachgedacht, und ich bin fast hundertprozentig sicher, dass ich Autoscheinwerfer gesehen habe, als ich nachts auf war.«
Das Badezimmer lag zur Straße hin, und sie hatten nur den unteren Teil des Fensters abgeklebt, zumal sich ja kaum jemand in den Wald stellen und bei ihnen reinschauen würde.
»Um wie viel Uhr war das?«, fragte er.
»So gegen drei, würde ich sagen. Da wache ich öfter mal auf.«
Hatte irgendjemand sonst etwas von Scheinwerfern oder Motorengeräuschen um drei Uhr morgens gesagt? Nein, aber es konnte sein, dass ein Kollege etwas davon gehört hatte. Doch würde er natürlich auch diese Zeugenaussage zu den Unterlagen hinzufügen.
Das Essen machte ihn träge, so dass er fast am Tisch einschlief.
»Willst du einen Kaffee?«, fragte Mona.
Er wusste, dass sie eine Tasse trinken würde. Mona gehörte zu den Leuten, die mit Koffein genauso gut schlafen konnten wie ohne.
»Ja, aber ich werde mich erst kurz hinlegen und die Augen ein bisschen zumachen«, sagte er und stolperte zu dem sandfarbenen Sofa und ließ sich wie ein nasser Sack darauf fallen.
Irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit lächelte ihm eine Frau zu. Sie schwebte im Gegenlicht, hatte mahagonifarbenes Haar, dunkle Augenbrauen und grünbraune Augen. Er versuchte mit ihr zu sprechen, aber sie wandte den Blick von ihm ab und lächelte plötzlich einer anderen Person zu, und er versuchte vergebens sich umzudrehen, um zu sehen, wer das war. Eberhard Lind stand auch da mit seiner klobigen Gestalt und schaute. Doch sie hatte ihr sonniges Gesicht nicht Ebbe zugewandt, es musste noch jemand anders sein. Lundin ließ den Blick schweifen und fing sogar an, im Gras herumzulaufen. Wen wollte sie haben? Wem lächelte sie so liebevoll zu?
Der Kaffeeduft erreichte ihn, und er erwachte mit einem Ruck. Sein Herz raste nach der Jagd auf … ja, auf wen?
Mona hatte ein Tablett mit Kaffeetassen und ein paar Stücken Zuckerkuchen auf den Sofatisch gestellt.
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