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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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Eigentlich war er nicht anders als jeder andere, doch er selbst war da anderer Meinung.« Wieder das trockene Lachen. »Sven Glas hingegen, der war nicht so stur und von sich selbst überzeugt, er hörte auf andere und argumentierte. Das fiel Johannes schwer, und solche Menschen kriegen ja immer ihren Willen. Also solche wie Johannes. Ist man nur dreist genug oder dreister als andere, dann gewinnt man.«
    Der Ton war jetzt schriller geworden. Mariana klang nicht nur aggressiv, sondern auch bitter, und ihre Analyse war kristallklar, dachte Jasinski. Wir kennen diesen Typ, dachte sie und stellte sich rasch das Manipulative vor, dem man auf den Leim ging, das einem Bauchschmerzen bereitete und unangenehme Schauder. Das nach außen so unglaublich freundlich und hilfsbereit wirkte, dass man sich nicht dagegen wehren konnte. Nach einer Weile aber kam das hässliche und egoistische Gesicht zutage und grinste und verlangte sein Recht. Der Mensch wollte etwas von einem haben: einen Gefallen, einen Vorzug, eine höhere Position. Und dann stand man mit langem Gesicht da und fühlte sich reingelegt.
    Mit Schamlosigkeit kam man weit, das stimmte wirklich. Doch wenn eine solche Person fällt, dann gibt es nur selten Freunde, die sie auffangen. Wirklicher Freund zu sein ist nämlich etwas völlig anderes, das hat mit gegenseitigem Respekt zu tun, mit Geben und Nehmen. Hatte Skoglund solche Freunde?
    Jasinski fragte Mariana Skoglund, doch sie konnte das nicht beantworten, zumindest nicht eindeutig. »Vielleicht jemanden in der Hütte, ich weiß es nicht genau«, sagte sie. »Oder im Verein zur Erhaltung und Pflege der Allmende. Darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
    »Wenn wir uns mal auf das konzentrieren, was später dann mit der Ehefrau Glas, Clarissa, geschehen ist. Woran erinnern Sie sich?«, fragte Jasinski.
    Mariana Skoglund schenkte Kaffee nach, biss in ein Gebäckstück und trank ein paar Schlucke.
    »Es war spät am Nachmittag, und wir waren gerade von der Glashütte nach Hause gekommen. Ich hatte die Kartoffeln aufgesetzt, als Hilda an der Tür klingelte. Das Mädchen wird damals so acht oder neun Jahre alt gewesen sein. Sie war den Tränen nahe und sagte, Clarissa habe Bauchschmerzen. Johannes sprang vom Stuhl auf und eilte rüber. Ich kümmerte mich weiter ums Abendessen, unsere Kinder würden ja bald heimkommen, also blieb ich zu Hause. Nach einer Weile kam er wieder und holte die Autoschlüssel, er würde sie ins Krankenhaus fahren. Ich sagte, dass Hilda bei mir bleiben könne, aber das Mädchen weigerte sich rundheraus, der Mutter von der Seite zu weichen, schließlich hatte es ja erst vor einem knappen Jahr den Vater verloren. Sie mussten sie mitnehmen, anders ging es nicht. Also fuhren sie. Und als Johannes wiederkam, hatte er Hilda bei sich. Clarissa hatte es nicht geschafft. Sie starb, scheinbar waren sie zu spät ins Krankenhaus gekommen, man nahm an, es handele sich um eine Blutvergiftung.«
    Jasinski versuchte, das Traurige, Schreckliche und Elende sacken zu lassen, das sie hier erfuhr.
    »Und was passierte dann mit Hilda?«
    »Das arme Mädchen! Eine Nacht wohnte sie bei uns, sie kam gut mit unseren Kindern klar. Dann kam das Jugendamt ins Spiel. Damals war es ja nicht immer sicher, dass die Verwandtschaft die Genehmigung erhielt, Waisenkinder aufzunehmen, und dann blieb natürlich auch die Frage, wer sich in einem solchen Fall zur Verfügung stellen würde. Ich weiß nicht mal, ob es überhaupt Verwandte gab, die in Frage gekommen wären. Schließlich nahm sich ein kinderloses Ehepaar ihrer an, und ich glaube, dass sie dort auch geblieben ist. Mehr weiß ich nicht.«
    Sie schluchzte vor Rührung. Ihre Wangen waren rot.
    »Aber ich habe mich oft gefragt, wie es ihr wohl geht. Man hofft ja immer, dass alles gut wird.«
    Jasinski merkte, dass Mariana Skoglund unruhig auf dem Stuhl hin und her rutschte. Sie schlug eine Pause vor, und beide Frauen erhoben sich. Mariana ging auf die Toilette, und Jasinski stellte sich ans Küchenfenster.
    Ein junger Mann kam auf dem Fahrrad vorbei. Sie ging ins Wohnzimmer, um zu sehen, wohin er unterwegs war, und beobachtete, wie er das Fahrrad an die Wand des roten Hauses lehnte und mit schnellen Schritten die Treppe hinauflief, aufschloss und eintrat. Er war um die dreißig, hatte dunkle Haare und trug ein Arbeitshemd, das über der Jeans hing, und eine Cordjacke, die nicht neu aussah, sondern wie eine, die Janos vor zehn Jahren getragen hatte. Ein Künstlertyp, der

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