Tod in der Walpurgisnacht
Sägemaschinen angetrieben hatte.
Neben der Glasfabrik thronten drei ältere, inzwischen renovierte kasernenähnliche Gebäude in falunrotem Holz.
»Die sind Anfang des 20. Jahrhunderts von den Betreibern der Glasfabrik als Arbeiterwohnungen errichtet worden«, erklärte Lundin.
»Du könntest hier als Fremdenführer arbeiten«, meinte Claesson.
»Leider ist der Bedarf nicht gerade groß«, grinste Lundin. »In der Zeit, als die Glashütte expandierte und man mehr Leute brauchte, fing die Verwaltung an, Wohnungen zu bauen. Auf diese Weise, so könnte man sagen, besaß die Glasfabrik die Arbeiter, denn ihr gehörten die Wohnungen. Eine Art Leibeigenschaft also.«
Claesson nickte.
»Natürlich gab das auch Sicherheit, der Direktor wurde zu einer Art Vater, der für alles sorgte, und die Arbeiter waren aufeinander angewiesen. Mit dem Anwachsen der Arbeiterbewegung kamen natürlich Forderungen nach erträglicheren Arbeitsbedingungen auf«, fuhr Lundin fort. »Da der Direktor auf geschickte Glasbläser angewiesen war, gab es eine Menge Verhandlungen und Veränderungen.«
Lundin schaltete herunter und fuhr im Schneckentempo an den Gebäuden vorbei.
»Das ist heute eine Jugendherberge«, erklärte er.
Das Abzeichen des Schwedischen Touristenverbands prangte auf der Hauswand.
»Das sieht heute sehr idyllisch aus, aber das war es damals bestimmt nicht«, meinte Claesson.
»Nein, es war eng. Viele Familien mussten sich eine Küche teilen. Nur die Glasmeister hatten ein Anrecht auf zwei Zimmer und eine eigene Küche. Viele andere mussten wohnen, wo sich etwas fand, zum Beispiel auf meinem Hof.«
Lundin erzählte von den Holzschuhen, die er im Schuppen gefunden hatte.
»Die wurden wahrscheinlich winters wie sommers getragen.«
Sie waren wieder auf die breitere Hauptstraße gekommen, die geradewegs zur Glasfabrik führte, welche jetzt direkt vor ihnen lag. Die Hütte, der Schornstein und alle Gebäude drum herum.
»Wegen der Brandgefahr errichtete man in der Umgebung der Hütte nur freistehende Häuser«, sagte Lundin. »Die Gemengekammer, die Glaskammer, die Tiegelkammer, die Schleiferei, die Gravurwerkstatt, die Malwerkstatt und so weiter. Es war eine ständige Bedrohung, dass sich das Feuer verselbstständigen könnte, aber heute ist die Brandgefahr nicht mehr groß, denn es wird schon lange nicht mehr mit Holz angefeuert. Die meisten einigermaßen großen Glasfabriken, die Service- und Kunstglas herstellen, benutzen Strom, und die kleineren Hütten, auch Studiohütten genannt, arbeiten mit Gasol. Aus verständlichen Gründen wird ziemlich viel mit Isolierung gearbeitet. Strom ist natürlich teuer.«
Claesson wusste schon, dass das reichlich vorhandene Holz zum Befeuern der Hütten eine Voraussetzung dafür gewesen war, dass die Glasbläserei sich gerade in Småland so ausgebreitet hatte. Und der Sand. Schließlich bestand Glas in der Hauptsache aus geschmolzenem Sand.
»Aber ich habe gehört, dass man den Sand inzwischen aus Belgien holt«, meinte Lundin und berichtete, dass die Etablierung der Glashütten mit dem Untergang der Eisenhütten zusammenfiel, der Ende des 19. Jahrhunderts Småland ereilte. »Das erinnerst du sicher noch aus der Schule, oder?«, fragte Lundin und sah Claesson an, der nickte.
»Man holte nunmehr das Eisenerz aus den Gruben in Bergslagen anstatt aus den Mooren in Småland.«
»Ja, und das führte natürlich zu Armut und Hunger, und die Arbeitslosigkeit wuchs«, sagte Lundin. »Viele Eisenhütten wurden in Glashütten umgewandelt. Wusstest du, dass Orrefors ursprünglich eine Eisenhütte war?«
»Nee, das wusste ich nicht«, erwiderte Claesson. »Wann kamen eigentlich die ersten Glashütten auf?«
»Im 17. Jahrhundert, Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Sache richtig Fahrt auf, und es wurden viele Glasbläsereien gegründet. Die erste Glashütte in Hjortfors wurde 1892 von dem Glasbläsermeister Albert Arfwidsson aus Kosta gegründet. Kommt dir der Name bekannt vor?«
Claesson nickte.
»Das könnte der Urgroßvater von Anders Arfwidsson gewesen sein, dem sie Futtermittel in seinen Dieseltank geschüttet haben. Der erste Arfwidsson konnte die wirtschaftliche Herausforderung nicht allein schultern, sondern wurde von einem Landeshäuptling und einem Bauern unterstützt. Arfwidsson war tüchtig und geschickt, es musste ja verhandelt werden, und Aufträge mussten eingeholt werden, um die Glashütte am Laufen zu halten.«
Lundin war auf den Parkplatz vor der Glashütte eingebogen. Er
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