Tod in der Walpurgisnacht
erklärte Bengt Almgren und starrte Claesson ins Gesicht.
Sein Blick las die kleinste Reaktion vom Gesicht des Kriminalkommissars ab. Schämte er sich auch genug? Das sollte er tun, sagte der Blick. Er sollte sich schämen, der Chef einer Ansammlung von Idioten zu sein, der es immer noch nicht gelungen war, die Tochter zu finden.
Claesson nickte bloß.
Dann kam Lundin, und sie steuerten auf die Glashütte zu. Kurz bevor sie hineingingen, klingelte das Handy. Peter Berg aus Linköping rief an.
Kapitel 20
Hilda, Donnerstag, den 17. März 2011
I st hier noch frei?«
Daniel Skotte ließ sich mit seinem Tablett an ihrem Tisch im Speisesaal nieder. In einem Abwehrreflex wandte Hilda den Kopf und sah aus dem Fenster. Da fiel ihr Blick auf die Zeitung, die auf dem Fensterbrett zusammengefaltet lag. Es war die Zeitung von heute, einige der Innenseiten waren nach außen geschlagen. Sie sah den Namen sofort. Nicht die Überschrift, nicht den Aushänger, aber wer den Artikel geschrieben hatte. Lejla Brun.
Hildas Gedanken schweiften ab.
»Vielleicht hätte man seine guten Noten für etwas anderes verwenden sollen«, hörte sie Skotte sagen. »Dann könnte man mehr erreichen. Dieser verfluchte Scheiß wird niemals funktionieren. Keine zusammengefassten Kliniken, sondern so eine Art Mischmasch mit …«
Da war sie wieder, die Umorganisation, die ständig Thema war und so viel Energie fraß. Hilda war das schon herzlich leid.
»Aber du kannst doch jetzt sehr viel bewirken«, meinte Fresia. »Wie du dich verbessern kannst, wie es deinen Patienten ergeht, wie angenehm es um dich herum ist. Ich finde, dass ich jetzt einen viel sinnvolleren Job habe, als …«
Es war keine von den Zeitungen aus Oskarshamn, stellte Hilda fest, während sie gleichzeitig versuchte, mental an den Tisch zurückzukehren, sondern das Barometer aus Kalmar, das wahrscheinlich irgendjemand mitgebracht hatte.
Fresias Geschichte hatte sie schon einmal gehört. Fresia wusste, dass das Gras auf der anderen Seite des Zaunes nicht grüner war, eigentlich war sie überhaupt keine typische Ärztin, Hilda hatte schon ein paarmal gedacht, dass sie nicht einmal wusste, wie man diese Rolle spielte. Das war sehr sympathisch.
Fresia beklagte immer mal wieder, dass es mit der Unterstützung ihres Ehemannes im Haushalt und bei den drei Kindern nicht sonderlich weit her war. Offensichtlich war keine Rede davon, dass die Aufgaben geteilt wurden, was Hilda in ihrer Unschuld immer für selbstverständlich gehalten hatte.
Doch Hilda gehörte einer »anderen Generation« an, wie Veronika gern erklärte, die ihrerseits nur selten über ihren Mann klagte. Sie nannte ihre familiären Verpflichtungen ein Kinderspiel, verglichen mit damals, als sie ihre erste Tochter allein großgezogen hatte.
Hilda wusste, dass Veronikas erwachsene Tochter endlich wieder »gut funktionierte«, nachdem sie eine Kopfverletzung erlitten hatte, die auch viel schlimmer hätte ausgehen können. Sie hatte ein Epiduralhämatom gehabt, das in der Neurochirurgie in Lund operiert worden war. Ein paar Verrückte hatten das Mädchen in der Universitätsstadt eines Nachts niedergeschlagen, als sie auf dem Heimweg von einem späten Fest gewesen war.
Als Hilda erfuhr, wie Veronikas Tochter hieß, verstummte sie. Cecilia Westman.
Sie kannte sie nicht näher, doch sie waren einander in verschiedenen Zusammenhängen begegnet, zum Beispiel in der Halle, in der sie beide trainierten. Sie hatten angefangen, im Gedränge in der Umkleidekabine ein wenig miteinander zu reden. Der Dialekt von Cecilia hatte Hilda angezogen, es war dieselbe Satzmelodie aus Ost-Småland, aus Oskarshamn, die sie selbst auch sprach. Eigentlich hätten sie sich schon aus der Schule kennen müssen, doch das war nicht der Fall. Zwar trennte sie nur ein Jahr, und das Gymnasium in Oskarshamn war nicht sehr groß, doch sie hatten völlig unterschiedliche Fachrichtungen besucht.
»Warum haben Sie Medizin studiert?«, fragte Daniel Skotte und kniff die Augen zusammen, während er Hilda betrachtete.
Sie hörte auf zu kauen. Seine Zudringlichkeit ärgerte sie, und gleichzeitig suchte sie nach einer einfachen und offenkundigen Antwort.
»Von irgendetwas musste ich ja leben!«
Sie zuckte mit den Schultern. Er starrte sie an und wartete auf eine ausführliche Antwort.
»Und ich hatte gute Noten«, fügte sie hinzu.
Eine notwendige Bedingung, die ausreichen musste.
»Ehrlich und gut«, urteilte Daniel wie ein Schiedsrichter in einem
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