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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Avanzini
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auf den Cent genau herausgeben, schlang ihren übergroßen Seidenschal so um den Hals, dass er auch ihren Mund verdeckte, und verließ das Lokal.
    Robert kehrte ihr den Rücken zu. Seine Blicke ruhten auf dem nicht vorhandenen Po der Kellnerin. Dass sie Vera Meyring hieß, hatte Brigitte von Luca erfahren. Der Blinde hatte seinem Ruf als Casanova alle Ehre gemacht und versucht, ihr unter dem Tisch an die Wäsche zu gehen. Schade, dass sie keine Zeit für ihn hatte. Vielleicht ein anderes Mal. Wenigstens wusste sie jetzt mehr über diese Vera. Angeblich eine einundzwanzigjährige Studentin, die erst seit Kurzem in Innsbruck lebte. Hamburgerin. Hatte ihr Medizinstudium geschmissen, um Sängerin zu werden.
    Scheiß Piefkeweib . Wie lange sie es wohl schon miteinander trieben?
    Brigitte blieb vor dem Blue Note stehen und sah sich um. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte ein Lieferwagen vor einer Hauseinfahrt. Wenn sie sich in seinen Schatten duckte, konnte sie die Tür des Lokals im Auge behalten, ohne selbst entdeckt zu werden.
    Sie musste nicht lange warten. Kurz nachdem die letzten Gäste das Jazzcafé verlassen hatten, wurde das Licht ausgeschaltet. Brigittes Herzschlag beschleunigte sich. Wenige Augenblicke später ging die Tür auf. Robert trat heraus, gefolgt von der Schlampe, deren kehliges Lachen Brigitte einen Stich versetzte. Umschlungen schlenderten die beiden die Leopoldstraße entlang. Sie schlugen den Weg zu Roberts Wohnung ein. Brigitte wusste genug. So schnell ihre Füße sie trugen, lief sie zum nächsten Taxistand. Plötzlich stieg ihr der Alkohol zu Kopf. Die frische Nachtluft und die körperliche Anstrengung beschleunigten seine Wirkung. Wankend stieg sie in ein Taxi und nannte Roberts Adresse.
    Während der Fahrt gelang es ihr nur mit Mühe, die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. Sie bereute, dass sie noch einen dritten Whiskey getrunken hatte, zusätzlich zu der Flasche Gin, die sie im Laufe des Tages geleert hatte.
    Reiß dich zusammen.
    Mit einem Ruck nahm sie die Perücke ab und verstaute sie mitsamt der Brille in ihrer Handtasche. Dann spielte sie die Szene, die sie den Turteltauben machen wollte, im Kopf durch. Sie versuchte sich vorzustellen, wie das Flittchen darauf reagieren würde.
    Die Verliebtheit wird von ihr abfallen wie ein lepröser Zeh. Brigitte lächelte zufrieden.
    * * *
     
    Es waren kaum Passanten unterwegs. Außer dem fernen Rauschen der Autobahn drang nur das helle Pochen von Veras Absätzen an sein Ohr. Robert bewegte sich wie im Traum. Er hatte seinen Arm um sie gelegt, und sie ließ es geschehen. Seine Nase zuckte.
    Plötzlich nisteten sich unangenehme Gedanken in seinem Kopf ein. Wie sah es in seiner Wohnung aus? Lag schmutzige Wäsche herum? Womöglich die SpongeBob-Boxershorts? Wann hatte er sein Bett zuletzt frisch bezogen? Als ihm die Absurdität dieser Überlegungen bewusst wurde, verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.
    Stumm gingen sie nebeneinanderher. Robert genoss dieses Schweigen, das nicht aus Hilflosigkeit zustande kam, sondern aus einer Art Einverständnis, das Worte überflüssig machte.
    Sie folgten dem Knick der Friedhofsmauer und bogen in die Fritz-Pregl-Straße ein. Vor dem achtstöckigen Wohnhaus blieb Robert kurz stehen, um den Schlüssel aus seiner Hosentasche zu fischen. Eine dunkle Gestalt löste sich aus dem Schatten und kam näher. Roberts euphorische Stimmung bröckelte ab wie ein missglückter Gipsabdruck. Er versteifte sich.
    »Was hast du?«, fragte Vera.
    »Brigitte«, stammelte er, die Augen auf die schwankende Gestalt gerichtet. »Was machst du hier mitten in der Nacht?«
    »Ich wollte dein neues Flittchen kennenlernen.« Brigitte musterte Vera abschätzig von Kopf bis Fuß.
    »Du bist betrunken.« Robert versuchte, sich zwischen Brigitte und Vera zu stellen.
    »So ein mageres Huhn, Schatz, da musst du aufpassen, dass du ihr nicht die Rippen brichst, wenn ihr es miteinander treibt.«
    »Brigitte, bitte …« Robert warf Vera einen raschen Seitenblick zu. Sie verfolgte die Szene mit gerunzelter Stirn. »Tut mir leid, das hätte ich dir gern erspart.« Wut kroch in ihm hoch und breitete sich aus bis unter die Haarwurzeln. Um sich zu beherrschen, biss er sich auf die Lippen.
    »Ja, ja, die Ehefrau hättest du deiner Schlampe gern verschwiegen. Du warst schon immer ein Feigling. Dabei ist es doch nur zu deinem Besten, wenn ich sie ein bisschen einführe. Weiß sie schon, dass sie dir den Hintern versohlen muss? Richtig

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