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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Avanzini
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kräftig? Weil es dir sonst nicht kommt?« Brigitte gluckste.
    »Hör auf!« Etwas in ihm zuckte aus.
    Vera fiel ihm in den Arm, den er schon erhoben hatte.
    »Verdammte Lügnerin!«
    Brigitte lachte hysterisch. Es klang unwirklich, hohl.
    Ein Fenster wurde aufgerissen. »Ruhe!«, keifte eine Frauenstimme hoch über ihren Köpfen.
    Brigittes Gelächter steigerte sich, wurde schriller. Dann begann sie zu würgen und übergab sich.
    Mit zitternden Fingern tippte Robert die Nummer der Taxizentrale in die Tasten seines Handys. Hoffentlich rannte Vera nicht weg, bevor er ihr eine Erklärung geben konnte.
    Als das Taxi nach wenigen Minuten in die Einfahrt bog, atmete er auf. Vera half ihm, seine Exfrau ins Auto zu setzen. Brigitte wehrte sich nicht, sie ließ sich fallen und wie ein Sack Kartoffeln auf dem Rücksitz verstauen. Robert nannte dem Fahrer ihre Adresse und steckte ihm einen Zwanziger zu. »Fahren Sie vorsichtig, sonst kotzt sie Ihnen die Sitze voll.«
    Brigitte drehte ihren Kopf. »Und immer schön kräftig«, krächzte sie. Ihre Hand ohrfeigte die Luft. »Immer schön kräftig!«
    Wütend warf Robert die Autotür zu.
    Als das Taxi verschwunden war, wagte er Vera kaum anzusehen. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. Ihre Berührung war fest und warm.
    »Das war also deine Frau«, sagte sie, und es wirkte keineswegs wie ein Vorwurf.
    »Meine Exfrau. Wir sind seit fünf Jahren geschieden.«
    »Sie macht keinen glücklichen Eindruck.«
    Robert schüttelte den Kopf. »Wir haben uns beim Sezieren im Anatomiesaal kennengelernt. Ich war zwanzig, Brigitte einundzwanzig, und ich verliebte mich in ihren schrägen Humor. Damals war sie fröhlich, lebenslustig, eine erfolgreiche Medizinstudentin und eine talentierte Zeichnerin. Wir haben noch während des Studiums geheiratet.«
    »Du musst mir das nicht …«
    Robert verschloss Veras Lippen mit seinem Zeigefinger.
    »Kurz darauf hat Brigitte das Medizinstudium aufgegeben und als Karikaturistin für verschiedene Zeitungen gearbeitet. Auch Porträts in Öl hat sie gemalt, Auftragswerke, sie war ziemlich gut im Geschäft. Wir waren so jung. Zu jung. Schon bald haben wir festgestellt, dass es nicht gut geht. Ich wollte eine Familie. Sie wollte Karriere machen, frei sein. Die Scheidung war unvermeidlich.«
    »… nicht erzählen.«
    »Es ist mir aber wichtig.« Robert nahm Veras Hand und hielt sie fest. »Nach der Scheidung hat sich Brigitte einflussreiche Liebhaber zugelegt und wurde als Künstlerin herumgereicht. Auf jeder Party war sie zu finden, die Zeitungen berichteten Pikantes aus ihrem Privatleben. Lauter kleine Skandälchen, die ihre Karriere vorangetrieben haben. Auf einmal waren ihre Bilder das Zehnfache wert.« Er seufzte. »Dann haben sich die Skandälchen ausgeweitet. Immer öfter waren es ausgewachsene Alkoholexzesse. Sie hat zu saufen angefangen, hat den Absprung nicht mehr gefunden. Mit der Karriere ging es bergab. Jetzt ist sie ganz unten.« Er sah Vera an. »Ich habe versucht, ihr zu helfen, aber es ist aussichtslos. Tut mir leid, dass du diesen Auftritt mit…«
    »Pst. Nicht weitersprechen.« Sie lächelte. »Darf ich mit hochkommen?«
    Mit wenigen Worten gelang es ihr, Brigittes Szene wegzuwischen, als hätte es sie nie gegeben. Robert schluckte. Das Nasenzittern setzte wieder ein. Das Weiche-Knie-Gefühl. Er hatte Mühe, den Aufzug zu betätigen und die Wohnungstür aufzusperren.
    »Was möchtest du trinken?«
    »Irgendwas Warmes wäre gut. Hast du Tee?«
    Während das Wasser heiß wurde, legte er eine CD auf. Robert Schumann: »Frauenliebe und -leben«, gesungen von der Fassbaender.
    Sie tranken den Tee stehend in der Küche und schwiegen, bis das Ticken der Küchenuhr wie Trommelschläge klang. Robert räusperte sich. »Was Brigitte vorhin über mich gesagt hat …«
    Vera kam auf ihn zu.
    »Ich meine das mit dem Schlagen, das ist eine Lü…«
    Sie legte ihre Hände an seine Wangen und verschloss seinen Mund mit ihren Lippen. Sie waren voll und weich und schmeckten nach Minze; ein wenig herb. Ihre Zunge, ein tastender Finger, setzte seine Mundhöhle in Brand.
    Robert drückte Vera an sich, spürte ihre Brüste, die fest waren und so klein, dass sie sich in seiner hohlen Hand verloren vorgekommen wären. Er vergaß zu atmen. Veras Gesicht, das er auch mit geschlossenen Augen vor sich sah, drehte sich im Kreis.
    »Willst du mit mir schlafen?«, fragte sie mit dieser Stimme, die tief war wie ein lichtloser Schacht und rau, als wären ihre

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