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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Avanzini
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konnte die Medizin im Fall eines inoperablen Pankreaskarzinoms ohnehin nicht bieten.
    * * *
     
    Es war spät, als Sofronsky die Haustür aufschloss. Zu spät, um eine überlange Probe als Ausrede heranzuziehen. Er hatte gehofft, dass Sonja schon schliefe, aber das hell erleuchtete Wohnzimmer überzeugte ihn vom Gegenteil.
    Sie saß im Ohrensessel, über eine Strickerei gebeugt. Socken vermutlich. Als ihn ihr frostiger Blick traf, wappnete er sich.
    »Tut mir leid, mein Täubchen, dass ich so spät dran bin.« Er vermied es, sie zu küssen. Bestimmt roch er nach Brigitte und ihrer unersättlichen Lust. »Wir sind nach der Probe noch in der Pianobar versackt. Ich konnte mich nicht drücken, Werner hat …«
    »Spar dir deine Ausreden«, fauchte sie.
    Aus ihren verkniffenen Gesichtszügen sprach so viel Hass, dass er zusammenzuckte. »Was hast du?«
    »Sagt dir der Name Vera Meyring etwas?«
    Er holte Luft und vergaß, den Mund wieder zu schließen.
    »Sie war hier. Sie will dich anzeigen.«
    »Sie ist verrückt. Hat versucht, meinen Schreibtisch in der Akademie zu durchwühlen, während ich nicht im Zimmer war.« Er hielt Sonjas Blick nicht aus und starrte auf ihr spitzes Kinn. »Sie lügt.«
    »Hör doch auf. Mir musst du nichts vorspielen. Wir wissen beide, dass sie recht hat.« Sie legte den angefangenen Socken auf den Tisch, ergriff das halb volle Weinglas und nippte daran.
    »Sie hat keinen einzigen Beweis.«
    »Noch nicht. Aber gnade dir Gott, wenn sie einen findet. Oder eine Schülerin, die sich auf eine Aussage gegen dich einlässt.«
    »Das wird sie nicht.«
    »Bist du dir so sicher? Ich warne dich. Wenn in irgendeiner Zeitung nur ein Wort von sexuellem Missbrauch im Zusammenhang mit dem Namen Sofronsky steht, dann lasse ich mich scheiden, am selben Tag. Und du bekommst keinen Cent.«
    »Warum wirfst du mich eigentlich nicht gleich raus, wenn du mich für so ein Schwein hältst?«
    Mit einem Schlenker schleuderte sie das Weinglas in seine Richtung. Es verfehlte seinen Kopf um weniges und zerschellte an der Wand. Der Rotwein hinterließ einen dunklen Fleck auf der Tapete, rann zu Boden und versickerte im Perserteppich.
    »In meiner Familie lässt man sich nicht leichtfertig scheiden«, zischte sie. »Aber wenn du meinen Ruf ruinierst, dann ist es aus.«
    Sofronsky bückte sich, um die Glasscherben einzusammeln. Er legte sie vor Sonja auf den Tisch. Dann hob er die Hand, als wollte er sie auf ihre Schulter legen. Auf halbem Weg ließ er sie sinken.
    »Eines musst du wissen, Sonja. Ich habe dich aus Liebe geheiratet, nicht weil dein Vater mich unter Druck gesetzt hat. Und schon gar nicht wegen eures Geldes.«
    Sie keuchte auf.
    »Die Gütertrennung war meine Idee, um deinem Vater zu beweisen, dass es mir um dich ging. Frag ihn, wenn du mir nicht glaubst.« Er betrachtete das Häuflein Scherben. »Es tut mir leid, dass ich dich betrogen habe, wirklich leid. Ich habe versagt. Du bist zu Recht enttäuscht. Vielleicht … vielleicht können wir noch einmal ganz von vorne anfangen?«
    Sie starrte an ihm vorbei und schwieg.
    »Gib uns eine Chance. Wir könnten ein Kind bekommen und versuchen, eine richtige Familie zu sein.«
    Etwas blitzte in ihren Augen auf. Wut? Verwunderung? Interesse? Er wusste es nicht.
    »Denk darüber nach, während ich weg bin«, sagte er, drehte sich um und ging.
     
    Die Nacht war sternklar wie selten. Er erkannte den Kleinen und den Großen Wagen, die Venus und den Polarstern.
    Mit der gleichen Klarheit erfasste er, was aus seinem Leben geworden war. Eine konturlose Wüstenlandschaft, in der er im Kreis ging, ohne es zu merken.
    Er betrog Sonja und nahm ihr ihre Selbstachtung, weshalb sie sich immer zickiger gebärdete; worauf er wiederum die Flucht ergriff und sie erneut betrog.
    Er balancierte auf der Gehsteigkante.
    Was sollte er tun?
    So weitermachen wie bisher und still und heimlich kleine Mädchen begrapschen, jeden Tag ein bisschen mehr, bis er sie so weit hatte, dass sie ihm alles gewährten?
    Oder sollte er seine Affäre mit Brigitte vertiefen? Nachdem sie heute Nachmittag erste Skizzen zu dem Bild angefertigt hatte, hatte sie ihn in Grund und Boden gevögelt. Hemmungsloser Sex, ein bisschen schmutzig. Lust, nur um der Lust willen, ohne Gefühle und Erwartungen, die darüber hinausgingen. Vielleicht war Brigitte das einzige Weibsstück, das es schaffen konnte, ihm den verhängnisvollen Hang zu Kindfrauen auszutreiben?
    Als dritte Möglichkeit bot sich nur ein Schnitt. Eine

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