Tod in Innsbruck
Schülerinnen. Er hat meine Schwester missbraucht, zwei Jahre lang. Als es begonnen hat, war sie vierzehn.«
»Sie sind ja verrückt! Haben Sie einen Beweis?«
»Ich arbeite daran. Und ich habe auf Ihre Mithilfe gehofft.«
Schneewittchens Mundwinkel zuckten. »Angenommen, an Ihren haltlosen Anschuldigungen wäre etwas Wahres dran. Und angenommen, ich hätte Beweise gegen meinen Mann in der Hand. Erwarten Sie im Ernst, dass ich ihn anzeige? Wieso sollte ich das tun?«
»Was er mit meiner Schwester gemacht hat, ist strafbar. Wenn Sie davon wissen, machen Sie sich mitschuldig.« In Veras Schläfen begann es zu pochen. »Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie glücklich über diese Situation sind. Fühlen Sie sich nicht erniedrigt? Wäre es nicht eine Genugtuung für Sie, wenn er seine gerechte Strafe bekäme? Ein Scheidungsgrund?«
»Erniedrigend wäre es nur, meinen Namen in diesem Zusammenhang in der Zeitung zu lesen.« Sie verzog die schmalen Lippen zu einem Lächeln, das die Augen nicht erreichte. »Außerdem komme ich aus einem katholischen Haus. ›Bis dass der Tod euch scheidet‹ ist das Motto unserer Familie.«
»Ich werde keine Ruhe geben, bis er vor Gericht steht. Dann wird Ihr Name es auf die Titelseite schaffen.«
»Verschwinden Sie! Und zwar sofort«, zischte Sonja Sofronsky, und mit einem Knall fiel die Haustür ins Schloss.
Verdammter Mist.
Was für eine Schnapsidee, mein lieber Jochen.
Das Gespräch hatte gar nichts bewirkt, außer Sonja Sofronsky aufzuschrecken.
Wenigstens wusste Vera jetzt, wie sie ihren restlichen freien Tag verbringen würde. Telefonierend. Zuerst würde sie alle Teilnehmer mit dem Namen Dimitropoulos aus dem New Yorker Telefonbuch heraussuchen und nach Xenia fragen. Und wenn das nicht half, würde sie Deutschland nach Xenias Eltern abklappern. Wenn sie nicht mehr in Mittenwald lebten, dann vielleicht in einer anderen Stadt. Bis zum Abend hätte sie hoffentlich ein Ergebnis in Form von Xenias aktueller Adresse. Oder noch besser ihre Zusage, gegen Sofronsky auszusagen.
* * *
»Danke fürs Taxispielen«, sagte Paul und hievte sein Gepäck aus dem Kofferraum. Merkwürdigerweise hatte sich die solariumbraune Farbe vollkommen aus seinem Gesicht vertschüsst, das jetzt fahlgelb aussah wie verdorbener Käse.
»Alles okay? Soll ich noch mitkommen?«, fragte Robert.
»Mir ist schlecht.«
»Jetzt schon?«
Paul nickte.
»Komm, du bist ohnehin viel zu früh dran. Lass uns in die Cafeteria gehen. Eine Cola wird deinen Magen wieder einrenken.« Natürlich war das Blödsinn, denn Pauls Übelkeit hatte nichts mit seinem Magen zu tun, sondern mit seiner Flugangst. »An Bord trinkst du ein, zwei Gläser Wein, dann machst du ein Nickerchen, und ehe du aufwachst, bist du schon auf Teneriffa gelandet.«
»Was will ich eigentlich auf Teneriffa?«, fragte Paul. »Vielleicht sollte ich einfach den Flug stornieren? Ich könnte für ein paar Tage an den Gardasee fahren. Mit dem Auto.«
»Du wirst sehen, es ist herrlich da. Zwei Wochen lang pure Entspannung. Nur Sonne, Strand und Meer. Schlafen, schwimmen, flirten, Spaß haben. Viel Spaß.«
Paul legte seine Hände auf den Bauch. »Mir ist so übel, ich weiß gar nicht, wie man dieses Sp-Wort buchstabiert.«
In der Cafeteria achtete Robert darauf, dass Paul mit dem Rücken zum Fenster saß, damit er nicht schon jetzt die silbernen Leiber der Flugzeuge betrachten musste. Er bestellte grünen Tee und für Paul einen Pharisäer. Der würde seinen Kreislauf in Schwung bringen.
Paul starrte einen Fleck auf der Tischplatte an und schwieg.
»Erklärst du mir noch mal, was ich bei Merlins Versorgung beachten muss?«, fragte Robert, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.
»Er frisst nur ›Zarte Stückchen mit Geflügel‹ von Sheba. Und zur Abwechslung frische Kalbsleber. Die Leber habe ich portionsweise eingefroren, du musst sie aber schon am Vortag auftauen, damit sie nicht zu kalt ist.«
»Geht klar. Mach ich.«
»Und vergiss nicht, ihm täglich zwei Schälchen mit frischem Wasser hinzustellen.«
»Ich verspreche, ich werde deinen Kater hüten wie meinen Augapfel. Sonst noch was?«
»Das Postfach ausleeren. Und meine Orchideen gießen. Aber nur einmal in der Woche und nur in den Übertopf. Dass du mir das Wasser nicht auf die Wurzeln schüttest!«
Robert verdrehte die Augen.
»Außerdem könntest du Brigitte mal wieder anrufen. Sie fragt mich immer, wie es dir geht. Sie ist ziemlich einsam.«
»Brigitte und ich
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