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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Flackern reiner Bösartigkeit in ihrem Blick. Sie war knallrot angelaufen und hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt. Er dachte, dass er ihr vielleicht eine Ohrfeige verpassen müsste, um diesen kleinen hysterischen Anfall zu beenden, und machte deshalb zwei Schritte auf sie zu.
    »Erinnerst du dich an Weihnachten 1941?«, fragte sie, und er blieb wie angewurzelt stehen.
    »Nein«, sagte er und betrachtete seine Hand.
    »Du warst unterwegs, um jenseits der Grenze dein Wolfram zu verkaufen, und Senhor Felsen ist früher zurückgekommen und hat dich erwischt.«
    »Woher willst du das wissen? Du warst doch damals noch ein Kind.«
    »Du wolltest ihn betrügen … so viel wusste ich, und er wusste es auch. Ich habe gesehen, wie er den ganzen Tag wütend auf dich gewartet hat«, sagte sie und bremste ihren Wortschwall, um ihm den entscheidenden Schlag zu versetzen. »Aber er hat dich auch betrogen.«
    »Mich betrogen?«
    »Er hat mich in jener Nacht in unserem Bett vergewaltigt, und in der Nacht danach und …«
    Sie sah die Wirkung ihrer Worte, sah die kurze selbstmitleidige Leere in seinem Blick und seine erschlaffenden Gesichtsmuskeln. Plötzlich fühlte sie sich stark, zu stark, weil sie ihre Rache genoss.
    »Manuel ist nicht dein Sohn«, sagte sie leise und lachte, weil sie die Anspannung nicht anders aushielt. Das Kichern kratzte über ihren Kehlkopf wie Krallen über Glas. Abrantes senkte den Kopf, sodass seine Augen unter seiner massigen Stirn fast zu verschwinden schienen, bis das Vakuum in seinem Kopf sich langsam füllte und eine Richtung bekam. Er riss seine Faust hoch und schlug ihr ins Gesicht. Ihre Nase brach, sie spürte die knirschenden Knochen. Ein dicker, warmer roter Schwall strömte über ihre Lippen, und der metallische Geschmack sickerte in ihren Mund. Sie landete benommen auf ihrem Hintern, und ihr Kopf schlug gegen die Lehne der Chaiselongue. Ein breites blutiges Band zierte ihre weiße Bluse. Sie spürte den nächsten Schlag kommen und riss schützend die Hände vors Gesicht. Abrantes’ Faust hämmerte ihren Handrücken in ihren Mund und schlug ihr zwei Vorderzähne aus. Sie fiel würgend zur Seite und sah, wie die Blutlache sich ausbreitete und in den Rand des Teppichs sickerte.
    »Du gehst zurück in die Beira und lebst mit den Schweinen.«

24
    Samstag, 13. Juni 199–,
    Alfama, Lissabon
     
    Ich forderte einen Wagen an, der uns abholen sollte, und ließ Jamie Gallacher Zigaretten kaufen. Den ganzen Weg bis zur Polícia Judiciária rauchte er und spielte mit dem Türgriff, bis dem Fahrer der Geduldsfaden riss. Ich hatte Jamie keine Zeit gelassen, sich zu waschen oder zu rasieren. Er trug nach wie vor sein zerknittertes T-Shirt und die Jeans voller Bierflecken, dazu ein Paar funkelnagelneue Nikes, die jedoch in den tacos , die ich für ihn vorgesehen hatte, nachdem seine Aussage aufgenommen war, vielleicht nicht sehr lange in seinem Besitz bleiben würden. Nicht dass ich ihm nicht glaubte, ich konnte ihn bloß nicht leiden.
    Der große dunkle Wagen passte gut zu meiner Hypothese, dass nach Valentim, Bruno und Jamie Gallacher irgendein scheinheiliges Schwein dahergekommen war, sie anal missbraucht und dann getötet hatte, weil sie nun wusste, was für ein Mensch er wirklich war. Es passte auch, dass das Opfer einen Streit gehabt hatte und davongestürmt war. So etwas passierte jungen Mädchen – sie wurden emotional und verwundbar, und das war der Moment, in dem ein Monster sie auflesen und vergewaltigen oder töten konnte. Ich habe die Typen gesehen, nicht viele, denn Lissabon ist keine gewalttätige Stadt – eine verständnisvolle Umarmung, ein Streichen über das Haar, ein kleiner Kuss, ein aufmunterndes Drücken, ein fieses Grabschen und dann ein blutiges Chaos.
    Möglicherweise hatte der Fahrer des großen dunklen Wagens sie schon vorher gekannt. Vielleicht hatte er vor der Schule gewartet, gesehen, wie Gallacher sie geschlagen hatte, und seine Chance gewittert. Mein Bauch sagte mir Dinge. Das Problem war nur, dass er mir Dinge sagte, seit ich in Luísa Madrugadas Wohnung gewesen war.
    Jamie Gallacher machte seine Aussage, und ich schickte ihn in den Keller. Er protestierte und wandte ein, er müsse am Montagmorgen unterrichten.
    »Sie sind Verdächtiger in einem Mordfall, Mr. Gallacher. Sie haben sexuelle Beziehungen zu einer Ihrer minderjährigen Schülerinnen zugegeben«, erklärte ich ihm. »Ich kann Sie ein ganzes Jahr lang ohne Anklage in eine Arrestzelle stecken, während ich

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