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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Zweieinhalb Stunden nach Betreten des Restaurants stolperten wir aus der kühlen Klimaanlagen-Luft auf die heiße, menschenleere Straße, in der zur Siesta selbst die Vögel in den Bäumen verstummt waren.
    Wir gingen Arm in Arm. Vor ihrer Haustür packte sie mich am Handgelenk und zerrte mich förmlich die Treppe hinauf. Sie ließ nur los, um den Schlüssel aus der Tasche zu ziehen, und dann standen wir in ihrem dunklen Flur und küssten uns, während sie die Wohnungstür so schwungvoll zutrat, dass die Gläser im Küchenschrank klirrten.
    Sie führte mich durchs Wohnzimmer und streifte auf dem Weg ins Schlafzimmer ihre Sandalen ab. Dort drehte sie sich um, riss mein Hemd aus der Hose und ließ ihre Hände über meine Brust gleiten. Sie zuckte die Achseln, die Träger rutschten von ihren Schultern, und ihr Kleid fiel zu Boden. Während ich mich aus meinem Hemd wand, zerrte sie die Jeans über meine Schenkel, fasste mir in den Schritt und sah mich herausfordernd an. Dann zog sie meine Shorts herunter und streifte ihren Slip ab. Ich zog sie an mich. Sie sprang hoch, schlang ihre Beine um meine Hüften und legte einen Arm um meinen Hals. Langsam ließ sie sich auf mich herab, ihr Schamhaar kratzte über meinen Bauch, heiss, unerträglich heiß. Wir fanden uns, und sie blieb dort, bis wir beide zitterten und bebten. Dann lehnte sie sich zurück, streckte die Arme aus und lächelte auf mich herab, bevor wir uns aufs Bett fallen ließen. Ich kam mir vor wie ein Surfer, der spürt, wie sich eine große Welle im Ozean auftürmt – gewaltige Wassermassen, die anschwellende Brandung, der Rausch der Geschwindigkeit –, bis die gewaltige Woge sich bricht.
     
    Der Verkehr weckte uns. Die Lissabonner, die zur Dämmerung heimkamen. Wortlos drängten wir uns aneinander und liebten uns unter den Augen des dunklen Spiegels noch einmal. Ein rotes Licht wanderte über den Streifen samtblauen Himmels, den man durch das offene Fenster sehen konnte, begleitet vom Knattern eines Hubschraubers. Das Zimmer roch nach Sex, Schweiß und Parfüm und etwas Süßem, wie auf der Haut verstrichenem Beerensaft. Mit einem Mal fühlte sich das Leben reichhaltig an, die Stadt reif, das Zimmer dunkel wie guter Rotwein und voller leichter und vielschichtiger Möglichkeiten. Ich weiß nicht mehr, wie ich aus ihrer Wohnung gekommen bin. Nach einem kurzen bleischweren Augenblick fand ich mich in meinem Wagen wieder, auf der Fahrt stadtauswärts durch den dämmrigen Monsanto-Park, während der Geruch ihres Körpers noch an mir klebte und sich in meiner Brust etwas öffnete wie die Segel einer in See stechenden Flottille.
    In Paço de Arcos hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen. Ich betrat das Haus mit dem Hochgefühl eines Mannes mit prallem Bankkonto und gut gefülltem Kühlschrank, obwohl bei mir beides nicht der Fall war.
    Es war zehn Uhr. In der Küche brannte Licht, und ich hörte Stimmen. Olivia saß angespannt am Küchentisch und lauschte Faustinho, einem einheimischen Fischer, der sich auf einem Stuhl flegelte, der so weit vom Tisch entfernt stand, dass er nur mit Mühe sein Bier greifen konnte. Er ereiferte sich gerade in aufsteigender Reihenfolge über die Regierung, die Fangquoten der EU und Benfica.
    Als ich hereinkam, sprang er auf. Olivia sah müde und erleichtert aus. Wir küssten uns.
    »Du riechst anders«, sagte sie und ging ins Bett.
    Faustinho, grau wie ein Wolf, leerte sein Bier und legte einen Arm um meine Schulter.
    »Kommen Sie«, sagte er, »Sie müssen sich diesen Jungen ansehen. Das wird Ihnen bei Ihrer Ermittlung helfen. Sie müssen mit ihm reden. Haben Sie Geld?«
    Wir marschierten durch den Park und die Unterführung zu dem Parkplatz auf der anderen Seite der Avenida Marginal. Faustinho ging voraus und sah unter den Booten und in den Schuppen nach. Ich trottete hinterher, froh über ein wenig Ziellosigkeit.
    »Wozu die Eile?«, fragte ich.
    »Es ist schon eine Stunde her«, sagte er.
    »Ich dachte, Sie hätten gesagt, er hätte es sich für die Nacht bequem gemacht.«
    »Er ist ein Junge von der Straße. Inzwischen kann alles Mögliche passiert sein. Vielleicht hat er Schiss gekriegt.«
    »Sie haben ihm doch nicht erzählt, dass ich von der Polizei bin?«
    »Nein, nein, aber ich bin jetzt seit einer Stunde weg, und vielleicht hat er angefangen zu grübeln.«
    »Kennen Sie den Jungen?«
    »Ich habe ihn schon ein paarmal gesehen. Ein kleiner Schlaks mit einem Stich schwarzem Blut. Trägt eine Jacke, die ihm zwei

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