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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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übergewichtigen zweiundzwanzigjährigen rangniedrigen agente aus Caldas da Rainha erwartet, der sich mit einem anderen agente über eine englische Popgruppe, die sich »die Beatles« nannte, und ihren neuen Song »Can’t buy me love« unterhielt. Jorge übersetzte den Titel gerade ins Portugiesische, verstummte jedoch, als Manuel hereinkam. Der andere agente drückte sich mit einem eiligen bom dia aus dem Zimmer.
    »Was hat der denn für Probleme?«, fragte Manuel, während er seinen Aktenkoffer und das Kuchenpaket abstellte. Jorge zuckte die Achseln und musterte den Kuchen. »Noch sind wir nicht so weit, dass wir uns gegenseitig melden müssen, weil wir gern Popmusik hören.«
    Jorge zuckte erneut die Achseln, zündete sich eine Zigarette an und spielte mit der Streichholzschachtel auf seinem Schreibtisch.
    »Ihr mögt also die Beatles«, sagte Manuel.
    »Klar«, sagte Jorge, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und blies den Rauch zur Decke.
    »She loves me, yeah, yeah, yeah«, sagte Manuel, um zu demonstrieren, dass er auch mitreden konnte.
    »She loves you …«, sagte Jorge.
    »Was?«
    »She loves you, yeah, yeah, yeah. Nicht ›me‹.«
    Manuel brummte etwas, setzte sich und legte seine Hände flach auf den Tisch. Jorge bedauerte bereits, ihn verbessert zu haben, weil er fürchtete, dass es Auswirkungen auf die Verteilung des Kuchens haben könnte.
    »Was haben wir denn heute?«, fragte Manuel.
    Jorge steckte die Zigarette wieder in den Mundwinkel und betrachtete die Akten auf seinem Tisch, während er überlegte, wie er die Situation retten konnte. Der Name auf dem Ordner sprang ihn an.
    »Nun, da wäre immer noch diese Maria Antónia Medinas«, sagte Jorge und erkannte sofort, dass er auf den richtigen Knopf gedrückt hatte.
    »Ach ja«, sagte Manuel stirnrunzelnd, als hätte er sie ganz vergessen, »das Mädchen aus Reguengos.«
    »Mit den blonden Haaren und den blauen Augen …«
    »Und ich dachte, da unten gibt es nur Araber«, sagte Manuel. »Finster, maurisch und so …«
    »Na, die jedenfalls nicht«, sagte Jorge und leckte sich die Lippen.
    »Halt’s Maul, Jorge und nimm dir ein Stück Kuchen«, befahl Manuel rasch.
    Jorge öffnete die Schachtel und nahm zwei.
    »Mein Gott, sind die lecker«, sagte er. »Wir sollten uns fürs Büro ein bisschen Zimt kaufen.«
    »Die Wachen sollen diese Medinas vorführen«, sagte Manuel.
    Jorge griff nach dem Hörer der Hausanlage.
    »Wollen Sie mit ihr reden oder …?«
    »Nein, nein, diesmal werde ich zusehen«, sagte Manuel.
     
    Das Mädchen stand im Verhörzimmer. Jorge manövrierte sie dicht vor den Spiegel. Manuel blickte in ihr vom Schlafmangel gezeichnetes Gesicht. Die blauen Augen waren dunkel und eingefallen. Sie blinzelte häufig in das grelle Licht. Ihr Haar begann fettig zu werden. Sie hatte Angst, wusste es jedoch gut zu verbergen. Manuel empfand Mitleid und Bewunderung. Sie straffte die Schultern in ihrem engen grauen Polohemd, dessen Knopfleiste direkt zwischen ihren runden Brüsten begann. Dazu trug sie einen wadenlangen grauen Rock und schwarze Pumps. Bis auf ihr Haar sah sie immer noch makellos aus.
    Jorge begann mit seiner Litanei von Fragen. Er wollte alles über die Exemplare des kommunistischen Schmierblatts Avante wissen, die man bei ihr gefunden hatte, als sie gerade die Fähre am Cais do Sodré betreten wollte. Ihre Antworten waren immer dieselben. Sie wusste von nichts. Sie hatte das Paket aus Versehen mitgenommen. Niemand hatte ihr die Zeitungen gegeben, und sie wusste nichts über geheime Druckereien. Sie kannte weder Namen noch Adressen von sicheren Häusern.
    Jorge nahm sie zwei Stunden in die Mangel, doch sie blieb bei ihrer Geschichte. Jorges Fragen wurden weniger drängend, sodass sie einzuschlafen begann, woraufhin er ihr befahl, in Kreuzigungspose Kniebeugen zu machen, bis sie weinte. Nach drei Stunden ließ Jorge sie zurück in die Zelle bringen.
    Der politische Flügel des Gefängnisses war überfüllt, sodass man die Zelle mit der Beschallungsanlage in einem Block für gewöhnliche Kriminelle mit langen Haftstrafen untergebracht hatte. Der Wärter führte sie in die Zelle, schnallte sie auf die Pritsche und setzte ihr die Kopfhörer auf die Ohren. Felsen beobachtete das Ganze durch einen Spalt in seiner Zellentür, weil jedes Kommen und Gehen für einen Mann, in dessen Leben seit zwei Jahren nichts geschehen war, interessant war, vom Anblick einer Frau ganz zu schweigen.
    Jorge und Manuel gingen essen. Sie wählten Fisch und

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