Tod in Lissabon
würden, der ihnen die Strategie darlegen würde, die für acht Millionen Portugiesen der Anfang eines neuen Lebens sein konnte. Die beiden Männer, die mit Manuel am Tisch saßen, waren General Machedo und sein Sekretär Paulo Abreu.
Das Zustandekommen dieses Treffens hatte eine sechsmonatige Vorbereitung erfordert, ganz zu schweigen von den vier Jahren, die die PIDE gebraucht hatte, um die höheren Ränge von General Machedos Gefolge zu infiltrieren. Manuel war zum perfekten Zeitpunkt gekommen. Er hatte einem Mann, der den größten Teil des vergangenen Jahrzehnts im Exil zugebracht hatte, neue Ideen geliefert, ihn von seiner Melancholie geheilt und ihn mit neuem Optimismus angesteckt. In Manuels Gegenwart hatte der General wieder angefangen, an seine Zukunft zu glauben.
Es war ein kalter Februarabend, gegen den die Heizung des Restaurants nicht ankam. Sie saßen im Mantel am Tisch und tranken Cognac, um das Zittern niederzukämpfen. Um elf Uhr kam ein Mann herein und trank einen Kaffee an ihrem Tisch. Eine Viertelstunde später setzten sie ihre Mützen auf und machten sich auf den Weg zu dem zweihundert Meter entfernten Friedhof hinter der Kirche, auf dem das Treffen stattfinden sollte. Am klirrend kalten Himmel stand ein halber Mond, der ihren Weg beleuchtete. Der Mann, der an ihren Tisch gekommen war, ging ein paar Meter vor ihnen. Gesprochen wurde nicht. Der General hatte zum Schutz gegen die Kälte die Schultern hochgezogen.
Auf dem Friedhof sagte ihnen der Mann, sie sollten auf einem schmalen Weg zwischen einigen Marmormausoleen warten. Der General blickte durch eines der Fenster und machte eine Bemerkung darüber, wie klein die Särge waren.
»Es müssen Kinder gewesen sein«, sagte sein Sekretär, und das waren seine letzten Worte. Ein Hammer traf seinen Hinterkopf, und er schlug mit der Stirn durch die Glastür des Mausoleums. Der General machte einen Schritt zurück. Jemand riss ihm die Hände aus den Taschen und hielt sie hinter seinem Rücken fest. Voller Entsetzen musste der General mit ansehen, wie sein Sekretär erwürgt wurde. Selbst im Zustand der Bewusstlosigkeit wehrte Paulo Abreu sich noch heftig, und es dauerte eine Weile, bis seine zappelnden Beine schließlich erschlafften.
Der General wurde gezwungen, sich hinzuknien. Der Mann, der in das Restaurant gekommen war, zog eine Pistole und einen Schalldämpfer aus der Tasche, den er auf den Lauf der Waffe schraubte, bevor er sie dem chefe de brigada gab. Manuel Abrantes blickte auf den General herab, dessen Mütze heruntergerutscht war. Das Gesicht und der ganze Körper des alten Mannes wirkten mit einem Mal völlig erschöpft. Er wollte den Kopf schütteln, doch sein Hals konnte das Gewicht nicht mehr tragen, sodass sein Haupt auf seine Brust sank.
» Wir müssen Kinder gewesen sein«, sagte er bitter.
Manuel Abrantes setzte den Schalldämpfer auf dem Hinterkopf des Generals auf und drückte ab. Man hörte einen dumpfen Knall, und der Körper des alten Mannes wurde mit solcher Wucht nach vorn geschleudert, dass er den beiden PIDE-Männern entglitt.
Manuel gab dem agente die Pistole zurück und legte einen Finger an den Hals des Generals, um den Puls zu fühlen. Er spürte nichts.
»Wo sind die Gräber?«, fragte er.
Der Mann mit der Pistole führte sie durch einen Gang zwischen den Mausoleen und weiter in eine Ecke des Friedhofs. Die Löcher in der Erde waren kaum dreißig Zentimeter tief.
»Was zum Teufel soll denn das sein?«, fragte Manuel.
»Der Boden war zu hart.«
»Verdammte Idioten.«
30
15. Juni 199–,
Avenida Duque de Ávila, Saldanha, Lissabon
Um sieben Uhr stand ich frisch geduscht und unfachmännisch rasiert in einem Anzug vor dem Liceu D. Dinis an der Avenida Duque de Ávila Ecke Avenida da República und genoss die Kühle des frühen Morgens. Ich war um fünf Uhr aufgewacht und hatte mir gewünscht, Urlaub zu haben und über nichts anderes nachdenken zu müssen als über die Wahl meiner Lektüre, meinen Platz am Strand und mein Mittagessen. Das Foto von Catarina Oliveira in meiner Tasche riss mich zurück in die Wirklichkeit. Ich hatte vor, die Straßen um die Schule abzuklappern, um herauszufinden, ob irgendjemand Jamie Gallachers Geschichte von dem unbekannten Auto bestätigen konnte.
Ich trank eine bica in der Pastelaria Sequeira an der Ecke gegenüber dem Jugendstilbau der Schule und fragte mich, ob ich vielleicht eine Glückssträhne hatte. Nach diesem Wochenende musste ich das einfach glauben und zog
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