Tod in Lissabon
doch das Bild drängte sich immer wieder vor meine Augen. Sie lag auf dem Rücken, die nackten Beine um Carlos’ Rücken geschlungen, die Knöchel auf seinem Hintern gekreuzt. Er stützte sich auf seine gestreckten Arme und schwebte kerzengerade über ihr. Sein Kopf schnellte herum. Ich knallte die Tür zu und taumelte zwei Schritte zurück, als hätte ich einen Schlag ins Gesicht bekommen.
Und dann wurde ich wie jemand, der tatsächlich ins Gesicht geschlagen worden ist, unglaublich wütend. So wütend, dass meine Pupillen zuckten. Kochend griff ich nach der Klinke, als ein ohrenbetäubendes Gehämmer gegen die Haustür einsetzte. Ich packte die Klinke und spürte, wie sie von der anderen Seite ebenfalls gefasst wurde. Das Gehämmer an der Haustür hörte nicht auf. Ich dachte an die Feuerwehr, und mein Verstand zog seltsame Schlüsse.
Ich rannte die Treppe hinunter. Die Katze hatte den Küchenstuhl mittlerweile geräumt. Ich riss die Tür auf, und draußen stand ein Mann, den ich kannte, allerdings aus anderen Zusammenhängen. Hinter ihm standen sechs weitere Männer und ein Einsatzfahrzeug.
»Inácio?«, fragte ich und streckte mittlerweile komplett durcheinander die Hand aus.
»Tut mir Leid, Inspektor«, sagte er, ohne meine Hand zu beachten. »Aber das ist ein dienstlicher Besuch.«
»Die Drogenfahndung dienstlich hier?«, sagte ich und hörte, wie oben jemand Stufen hinaufstieg.
»Das ist richtig«, sagte er. »Ich bin immer noch bei der Drogenfahndung.«
»Aber du hast gesagt, das wäre dienstlich. Ich verstehe nicht …«
»Wir sind gekommen, um das Haus zu durchsuchen«, sagte er und präsentierte mir einen Durchsuchungsbefehl, den ich nicht las. »Kennst du einen hiesigen Fischer namens Faustinho Trindade?«
»Natürlich kenne ich Faustinho«, sagte ich und las mir den Durchsuchungsbefehl jetzt doch durch. »Er war …«
»Er ist ein bekannter Drogenschmuggler. Er wurde beim Betreten deines Hauses gesehen. Anschließend hat man beobachtet, wie du mit ihm zum Jachtklub gegangen bist.«
»Dann durchsuch halt das Haus, Inácio, durchsuch das Haus. Lass dir Zeit.«
Inácio trat in den Flur und gab seinen Männern Anweisungen. Zwei gingen zurück zu dem Transporter und holten zwei große Werkzeugkisten. Auf der Treppe trafen sie Olivia und Carlos. Inácio dirigierte uns in die Küche, wo wir, von einem agente bewacht, zu dritt um den Tisch saßen, während die anderen Polizisten durch unser Haus polterten. Olivia suchte meinen Blick.
»Wer sind diese Typen?«, fragte sie mich auf Englisch.
»Drogenfahndung. Sie durchsuchen das Haus. Wenn du etwas in deinem Zimmer versteckt hast, sag es mir lieber jetzt gleich.«
»Nein, habe ich nicht«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ganz sicher nicht?«
» Ich bin mir sicher.«
Erst in diesem Moment spürte ich jede Blutzelle und jedes Blutplättchen in meinen Adern. Mein Magen fühlte sich an wie in freiem Fall. Die Tüte mit Gras auf dem Speicher.
Carlos sah mich an wie ein Hund, den es reute, grünes Fleisch aus einer Mülltonne gefressen zu haben. Aus dem ersten Stock hörte man ein lautes Knacken. Ich fragte den agente , was los sei.
»Die Bodendielen, nehme ich an«, erwiderte er. »Entleeren Sie den Inhalt Ihrer Taschen auf den Tisch.«
Wir taten, wie uns geheißen. Carlos hatte viertausend Escudos, ein bisschen Kleingeld, vier Kondome, wie ich erleichtert feststellte, einen Stift, seinen Pass und seinen Dienstausweis.
»Ich wusste nicht, dass Sie Polizist sind«, sagte der agente mit einem Blick auf Carlos’ Dienstausweis. »Sind Sie der Freund der jungen Dame?«
Keiner sagte etwas. Der agente zuckte die Achseln, nahm Olivias Ausweis und verglich ihr Geburtsdatum mit dem von Carlos.
»Vielleicht auch nicht«, meinte er.
Sie blieben vierzig Minuten und fanden nichts. Inácio entschuldigte sich und schüttelte diesmal auch meine Hand, die schweißnass war. Die Männer gingen. Ich stand in dem dunklen Flur und sah in die Küche. Olivia und Carlos standen nebeneinander wie ein Paar aus einem Film, das einen Wirbelsturm überlebt hatte. Ich wies mit dem Finger auf Carlos.
»Sie können jetzt gehen«, sagte ich. »Los! Raus! Verpiss dich!«
Er drückte sich an mir vorbei aus der Tür. Ich hatte meinem kleinen Mädchen nichts zu sagen. Langsam stieg ich die Treppe zum Speicher hinauf und schaltete die Schreibtischlampe an. Ich setzte mich an den Tisch und zog die Schublade auf. Kein Beutel mit Gras, keine Papierchen. Ich nahm das
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