Tod in Lissabon
sie gesichtslos. Ich ging auf die Toilette und wusch mich. Anschließend bat ich um ein Glas Wasser und spülte meinen Mund aus. Ich bestellte eine Tasse Tee mit zwei Beuteln. Katarina von Bragança hatte in Portugal vielleicht den Tee eingeführt, doch ihr einziges Erbe war Lipton. Ich süßte ihn kräftig und trank. Danach orderte ich etwas Kräftigeres und setzte mich. Ich hatte wieder angefangen zu schwitzen, und mein Atem ging unregelmäßg. Der Barkeeper beobachtete mich misstrauisch. Im Fernsehen wurden wir ermutigt, nach Madeira zu reisen.
Aus dem hinteren Teil des Lokals näherte sich eine große Gestalt und verdeckte einen guten Teil der Neonbeleuchtung.
»Kommen hierher etwa alle sorgengeplagten alten Ermittler?«, fragte der Mann und setzte sich an meinen Tisch.
Ich kannte ihn. Ich kannte die große Nase, den verschlagenen Blick und den glatten, schwarzen Schnauzer mit den spitzen Enden.
»Ich hatte gerade einen Unfall«, sagte ich. »Ich wäre fast unter eine Straßenbahn gekommen und fühle mich noch ein bisschen wackelig auf den Beinen, das ist alles. Ich musste mich einfach mal hinsetzen.«
»Es ist erstaunlich, wie wenig Menschen in einer Stadt voller Straßenbahnen unter die Räder kommen.«
»Ich kann mich nicht an Ihren Namen erinnern, aber ich weiß, dass ich Sie kenne.«
»Sie sind Zé Coelho«, sagte er. »Ich hätte Sie fast nicht erkannt. Früher hatten Sie einen Bart. João José Silva … alle haben mich immer JoJó genannt. Erinnern Sie sich jetzt?«
Das tat ich offen gestanden nicht.
»Ich bin vor drei Jahren in den Ruhestand versetzt worden, sanft aufs Altenteil geschoben, Sie verstehen.«
»Sie waren aber nicht bei der Mordkommission, oder?«
»Sitte.«
»Haben Sie eben gesagt, dass alte Ermittler sich hier ihre Medizin genehmigen?«
»Bis vor drei Tagen.«
»Und was ist dann passiert?«
»Erinnern Sie sich an einen Mann namens Lourenço Gonçalvez?«
Der Name schien mich zu verfolgen.
»Nein, nicht persönlich, aber ich habe von ihm gehört«, sagte ich.
»Er war auch bei der Sitte.«
»Waren Sie Partner?«
»Mehr oder weniger«, erwiderte er ausweichend. »Er ist jedenfalls immer hierher gekommen … bis vor drei Tagen.«
»Ich habe gehört, er hätte sich selbstständig gemacht.«
»Er nennt sich jetzt Sicherheitsberater. Eine vornehme Bezeichnung für Privatdetektiv. Er beschattet die Frauen von reichen Typen und stellt fest, ob sie mittwochs nachmittags noch was anderes machen als einkaufen. Sie wären überrascht.«
»Tatsächlich?«
»Na, er war es jedenfalls … und die Ehemänner auch. Deswegen ist er auch nicht immer bezahlt worden.«
»Und warum kommt er jetzt nicht mehr hierher?«
Er zuckte die Achseln.
»Wir haben hier immer einen getrunken und im Sommer dann im Park Karten gespielt.«
»Ist er verheiratet?«
»Er war. Seine Frau ist zurück nach Porto gegangen, weil sie die Menschen hier im Süden nicht ertragen konnte. Sie fand, dass wir alle Mohren sind. Sie hat die Kinder mitgenommen.«
Ich trank mein Glas leer. Der Mann deprimierte mich. Ich wusste nicht, warum. Vielleicht war es sein verschlagener Blick.
»Ich muss los«, sagte ich. »Ich will schließlich nicht auch noch in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden.«
»Interessiert es Sie gar nicht, was mit Lourenço passiert ist?«
»Meinen Sie, drei Tage nach seinem Verschwinden gilt er als vermisst?«
»Er ist jeden Tag hierher gekommen.«
»Sind Sie schon in seinem Büro gewesen?«
»Natürlich, es liegt direkt gegenüber im zweiten Stock. Niemand macht auf.«
»Vielleicht ist er weggefahren.«
»Dafür hatte er kein Geld.«
»Rufen Sie mich an, wenn er wieder auftaucht«, sagte ich und gab ihm meine Karte. »Und rufen Sie mich auch an, wenn er bis Ende der Woche nicht wieder aufgetaucht ist.«
Ich wartete seine Antwort nicht ab. Ich musste hier raus, bevor das Neonlicht mir den Schädel spaltete. Ich ging zu Luísas Wohnung, doch sie war nicht da, also kehrte ich ins Gebäude der Polícia Judiciária zurück. Carlos war nirgends zu finden.
Nachdem ich ein Aspirin genommen hatte, fühlte ich mich langsam besser. Abílio Gomes steckte den Kopf herein und meinte, ich würde aussehen wie der Tod. Ich wartete, bis er den Flur hinunter verschwunden war, und ging dann in sein Büro, wo ich die Akte Teresa Oliveira auf seinem Schreibtisch aufschlug. Es war fast das erste Detail auf dem ersten Blatt. Sie wurde tot aufgefunden in einem schwarzen Mercedes E 250 Diesel mit dem
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