Tod in Lissabon
weiß es nicht. Vielleicht hat er sie getreten … jedenfalls wurde er danach zum chefe de brigada befördert.«
»Das klingt für PIDE-Verhältnisse nicht außergewöhnlich. Ich bin sicher, es gab viel schlimmere …«
»Er war der Anführer der Einheit, die General Machedo in Spanien erschossen hat.«
Ich spürte, wie ein Schweißtropfen meine Wirbelsäule hinunterkullerte.
»Verstehen Sie jetzt«, sagte Jorge, »dass man vorsichtig sein muss?«
Ich zündete mir eine Zigarette an, und diesmal war es meine Hand, die nicht ganz ruhig war.
»Jetzt bin ich mit ihm durch. Ich habe ihn in dieser Sache geschützt. Mit dem Mädchen. Jetzt bin ich fertig mit ihm. Schauen Sie mich an, Inspektor«, sagte er, und ich löste meinen Blick vom Boden, obwohl ich ihn eigentlich gar nicht ansehen wollte. »Sehe ich aus wie jemand, der von Manuel Abrantes’ Tisch gegessen hat?«
Ich ging zur Tür und drehte mich noch einmal um. Er starrte blicklos in die Nische über dem Waschbecken, ein gebrochener Mensch. »Überstürzen Sie nichts, Inspektor«, sagte er. »Es ist noch längst nicht vorbei.«
»Keine Sorge, Jorge. Ich bin auch noch nicht fertig … aber wenn mir irgendwas zustößt, weiß ich, wo ich suchen muss.«
»Meinetwegen müssen Sie sich keine Sorgen machen, Inspektor.«
»Wo wohnt Abrantes?«
»Irgendwo in Lapa. Wo sonst? Er hat das Haus seines Bruders übernommen. Die Adresse weiß ich nicht.«
Aus dem Nebenzimmer ertönte ein leiser Hilfeschrei, und erst jetzt registrierte Jorge, was er da eigentlich betrachtete. Er schüttelte den Kopf und rappelte sich hoch.
Ich rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter. Es war mittlerweile fünf Uhr. Ich rief Olivia an und fragte sie nach der Adresse von Miguel da Costa Rodrigues in Lapa. Danach telefonierte ich mit Carlos.
Um Viertel vor sechs lehnten wir an einer Mauer auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor einem Haus in der Rua Pria.
Um Viertel nach sechs öffnete ein alter Mann das Tor, ein Garagentor ging elektrisch auf, und ein schwarzer Mercedes C 200 setzte rückwärts auf die Straße. Ich konnte den Benzingestank riechen, und das Nummernschild lautete 18 43 NT. Doch der Wagen hatte keine getönten Scheiben, Lurdes Rodrigues war durch die Fenster deutlich zu erkennen. Sie parkte auf der sonnigen Straße, stieg aus, ging zurück ins Haus und kehrte mit einem Umschlag zurück. In dieser kurzen Zeit hatten sich die Scheiben des Wagens schwarz verfärbt.
38
Mittwoch, 17. Juni 199–, zwanzig Uhr dreißig,
Luísas Wohnung in der Rua Actor Taborda, Lissabon
Wir lagen auf dem Bett, sie im rechten Winkel zu mir mit dem Kopf auf meinem Bauch. Beide waren wir nackt und hatten uns nicht einmal mit einem Laken bedeckt. Das Fenster stand offen, und der leise Hauch eines kühlen Abendwinds wehte ins Zimmer. Wir rauchten und benutzten gemeinsam einen schweren Glasaschenbecher, der auf einer Seite des Bettes stand, während wir Whisky aus einem Glas auf der anderen Seite tranken und an die Decke starrten. Ich hatte Luísa alles erzählt, was ich über den Mord an Catarina Oliveira wusste, und jetzt hatte seit einer Viertelstunde keiner von uns mehr ein Wort gesagt. Ich tauchte meinen Finger in eine kleine Whisky-Lache zwischen ihren Brüsten und leckte ihn ab.
»Die Banco de Oceano e Rocha interessiert mich schon seit einigen Monaten«, sagte sie.
»Ich würde dort jedenfalls kein Konto eröffnen.«
»Ich suche nach einer Verbindung zwischen dieser Bank und dem Nazi-Gold.«
»Versteck dein Geld lieber unter der Matratze wie ein guter Bauer.«
»Hör mir doch mal zu.«
»Ich höre dir ja zu«, sagte ich und fuhr fort, den Whisky zwischen ihren Brüsten abzutupfen. »Warum suchst du nach dem Nazi-Gold?«
»Weil das ein heißes Thema ist. All die Kommissionen, die Banken auf der ganzen Welt dazu zwingen, ihre Archive zu öffnen. Wenn ich irgendetwas hier in Portugal aufdecken könnte, würde sich das in meiner Arbeit gut machen. Außerdem wäre es eine ernsthafte Unterlassung, in einer Doktorarbeit über die Salazaristische Wirtschaft nicht auch die Goldtransaktionen während des Krieges zu untersuchen.«
»Carlos hat mir am Sonntag aus einem Artikel vorgelesen, dass sich unsere Goldreserve während des Krieges versiebenfacht hat.«
»Im Tausch gegen Wolfram, Kupfer, Sardinen, Olivenöl, Decken, Felle … was auch immer, wir haben alles verkauft. An beide Seiten.«
»Manche Menschen sehen darin ein Problem oder sind doch zumindest
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