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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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nicht.«
    »Ich habe Sie doch schon mal gesehen«, sagte sie. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Sie sind in das Café neben der Schule gekommen. Sie haben hinter mir gestanden.«
    »Das Café? Neben welcher Schule?«
    »Das Bella Italia neben der Schule.«
    »Das war ich nicht. Ich wusste gar nicht, dass du noch zur Schule gehst.«
    »Ich bin mir ganz sicher. Ich hab die Krawatte gesehen. Im Spiegel.«
    »Im Spiegel?«, fragte er, und durch seine Adern pulsierte mit einem Mal etwas wie verdorbene Elektrizität.
    Er sah alles messerscharf, bis hin zu den winzigen blonden Härchen auf ihrem Bein. Sie rutschte in die andere Ecke und zog ihre Füße hoch, diesmal ohne die Schuhe auszuziehen.
    »Ich habe dich auch schon einmal gesehen«, sagte er, und sie riss die Fäuste ans Kinn. »Heute Mittag in der Pensão Nuno mit deinen beiden Freunden. Waren die von deiner Band?«
    Die Information ließ sie erstarren.
    Wie war es geschehen? Wie konnte alles so verkehrt laufen? So hatte es nicht sein sollen. Er schluckte erneut und sah sie an, ohne sie anzusehen. Er betrachtete ihr Spiegelbild in der Windschutzscheibe.
    »Was wollen Sie?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
    Er konnte es immer noch aufhalten. Er konnte es jetzt abbrechen und wieder zum Reden zurückkehren, zu den Smashing Pumpkins. Er musste nicht …
    Er streckte eine Hand aus, dicht behaart bis zu den Fingerknöcheln, eine tierische Hand, und strich ihr mit Daumen und Zeigefinger über den Knöchel.
    Sie trat aus, und der strassbesetzte Absatz ihres Schuhs traf ihn direkt über dem Herzen. Er packte ihren Knöchel und hielt ihn fest. Sie zerrte an seiner Krawatte. Er quetschte ihr Handgelenk in seiner Faust, und sie ließ winselnd los. Er verdrehte ihren Arm. Sie trat mit dem anderen Fuß aus und erwischte diesmal seine Brust. Er verdrehte ihren Arm weiter und zwang sie so, sich umzudrehen, bevor er mit seinem ganzen Gewicht auf sie drückte. Er drückte ihr Gesicht in den Spalt zwischen Sitz und Tür.
    »Tun Sie mir nichts«, sagte sie. »Bitte tun Sie mir nichts.«
    Er stöhnte und nahm ihr Gewimmer nur gedämpft war. Er schob ihren Rock hoch und riss ihren Slip herunter, über die Knie und ihre blöden Schuhe. Sie spürte, wie ihr Rücken unter seinem Gewicht knackte, und hörte, wie er direkt neben ihrem Kopf im Handschuhfach herumfummelte. Sie befreite ihren anderen Arm und versuchte auszuschlagen, doch er riss ihren Kopf zurück.
    »Nein«, sagte sie. »Bitte, nein. Tun Sie mir nicht weh. Machen Sie, was Sie wollen, aber tun Sie mir nicht weh.«

37
    Mittwoch, 17. Juni 199–, fünfzehn Uhr dreißig,
    Bella Italia, Avenida Duque de Ávila, Lissabon
     
    Das Bella Italia war leer bis auf die alte Frau an ihrem Tisch mit Blick auf die Straße und den jungen Barkeeper, der Catarina ihren letzten Kaffee ausgeschenkt hatte.
    »Erinnern Sie sich an mich?«, fragte ich die alte Dame, die heute ein elegantes, altmodisches Kleid aus rosafarbener Seide trug.
    »Sie sind der Inspektor«, sagte sie mit einem Blick aus wachen Augen, deren Lidschatten vermutlich dicker war als der Stoff ihres Kleides.
    »Erinnern Sie sich, an dem Nachmittag, an dem das Mädchen auf der Straße geschlagen wurde, vor der Schule einen großen schwarzen Mercedes gesehen zu haben?«
    »Wie ein altes Taxi, nur ohne das grüne Dach.«
    Ich ging zum Tresen und bestellte noch ein Wasser, ich hatte schon zu viel Koffein im Blut – das Leben erschien mir unangenehm hell und scharf.
    »Erinnern Sie sich auch noch an mich?«, fragte ich den Barkeeper. »Und an das Mädchen? An das Mädchen erinnern Sie sich bestimmt.«
    Er nickte.
    »Sie haben gesagt, sie wäre allein hier reingekommen.«
    »Und das sage ich auch immer noch.«
    »Und niemand ist nach ihr hereingekommen?«
    »Nein.«
    »Der Laden war völlig leer?«
    »Bis auf sie«, sagte er und wies mit dem Kopf auf die alte Dame. »Sie wollte gerade gehen.«
    »Wie heißt sie?«
    »Dona Jacinta«, sagte die Alte, die offenbar noch ziemlich gut hörte.
    »Sie hat ihr Hörgerät aufgedreht«, sagte der Barkeeper.
    »So ist es«, sagte sie. »Das Mädchen ist alleine hereingekommen, und an jenem speziellen Freitag hat auch niemand nach ihr das Café betreten.«
    »Wie meinen Sie das, Dona Jacinta?«
    »Das war am vergangenen Freitag. Am Freitag davor war es anders. Ich war hier. Das Paar, das sich immer über seine Hunde streitet, saß in der Ecke. Sie waren auch hier, Marco, nicht wahr?«
    »Ich war auch hier«, bestätigte er leicht

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