Tod in Lissabon
gelangweilt.
»Das Mädchen kam herein. Und draußen auf dem Bürgersteig stand ein Mann, der kurz gewartet und das Café dann nach ihr betreten hat.«
»Das stimmt, Dona Jacinta«, sagte Marco unvermittelt wieder belebt. »Er hat sich auf den Hocker direkt hinter ihr gesetzt und auf ihre Beine gestarrt. Sehen Sie, ich bin nicht der Einzige.«
»Hat er irgendwas gemacht?«
»Er hat über ihre Schulter hinweg einen Kaffee bestellt. Ich glaube, die beiden haben sich im Spiegel angesehen.«
»Er war groß und fett«, sagte Dona Jacinta, »mit einer Glatze, einem Schnurrbart und einem teuren Anzug.«
»Und seine Krawatte«, ergänzte Marco, »seine Krawatte …«
»Was war mit seiner Krawatte?«
»Er hat sie in demselben Laden gekauft wie Sie Ihre«, sagte Dona Jacinta.
»Die hat meine Tochter für mich gemacht«, sagte ich automatisch.
»Dann hat Ihre Tochter auch die Krawatte dieses Mannes gemacht«, erklärte sie.
Ich setzte mich langsam auf die Kante eines Barhockers.
»Trinken Sie Ihr Wasser«, sagte Marco und hielt mir das Glas hin.
Ich klappte meine Brieftasche auf und nahm das Bild heraus, das ich beim Zahnarzt aus dem VIP-Magazin herausgerissen hatte. Ich strich es auf dem Tresen glatt und tippte auf das Gesicht von Miguel da Costa Rodrigues.
»Verdammt«, sagte Marco. »Das ist er. Zeigen Sie es Dona Jacinta. Das ist er.«
Ich trank mein Wasser und ging zur Tür. Dona Jacinta hatte ihre Brille aufgesetzt. Sie nahm das Bild und nickte.
»Darauf trägt er auch die Krawatte«, stellte sie fest.
Ich faltete den Zeitungsausriss und steckte ihn wieder in meine Brieftasche.
»Sie dürfen mit niemandem darüber sprechen. Kein Wort.«
Die kurze Strecke zur Saldanha legte ich laufend zurück und geriet schon nach wenigen Metern ins Schwitzen. Als ich mir schließlich ein Taxi heranwinkte und verlangte, in die Rua da Glória gefahren zu werden, musterte der Taxifahrer mich mit einem wissenden Blick. Mich mit beiden Händen abstützend, saß ich auf der Rückbank und schwitzte. In Richtung Praça Marquês de Pombal herrschte dichter Verkehr, sodass der Fahrer einen Schleichweg durch die Nebenstraßen um die Krankenhäuser Miguel Bombarda und Santa Marta nahm.
In der Rua da Glória rannte ich den blauen Linoleumstreifen bis zur Rezeption der Pensão Nuno hinauf. Jorge war nirgends zu sehen. Ich klopfte und hämmerte auf den Tresen und läutete die Glocke. Jorge kam, aufs Geländer gestützt, mit flappenden Latschen eine Stufe nach der anderen die Treppe herunter.
»Ihr Bein sieht aber gar nicht gut aus, Jorge.«
»Es ist auch nicht gut«, erwiderte er sofort aggressiv. »Was wollen Sie?«
»Ich bin gekommen, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.«
Er blieb auf der Treppe stehen.
»Hören Sie«, sagte er. »Ich hab Ihnen doch erzählt, dass ich krank war …«
»Werden Sie meine Fragen beantworten?«
»Stellen Sie sie, dann werden wir ja sehen.«
»Sie haben gesagt, das Mädchen, Catarina, wäre schon öfter hier gewesen«, begann ich. »Freitags mittags.«
»Das habe ich gesagt.«
»Was war mit dem vorletzten Freitag?«
»Da war sie auch hier.«
»Wo?«
Er zögerte, weil er spürte, dass ich diesmal etwas wusste. Ich ging ihm auf der Treppe entgegen.
»Sie können ruhig unten bleiben«, sagte er. »Ich muss bloß überlegen.«
»Zeigen Sie mir das Zimmer.«
»Es war dasselbe wie beim letzten Mal.«
»Zeigen Sie es mir.«
Er drehte sich um und schlurfte, in zwanzig Stunden um ebenso viele Jahre gealtert, mit blauen Knöcheln die Treppe hoch.
»Mit wem war sie zusammen, Jorge?«
Er antwortete nicht, sein Atem ging schwer. Oben angekommen beugte er sich über das Geländer. Aus einem der Zimmer drangen wilde ekstatische Schreie von der Art, wie sie eine Professionelle bei ihrem ersten Freier lernt.
»Mit wem war sie zusammen, Jorge?«
»Keine Ahnung, ein Lederhändler aus Braga oder was weiß ich.«
»Dann lassen Sie uns mal einen Blick in das Zimmer nebenan werfen. Vielleicht hilft das Ihrem Gedächtnis ja auf die Sprünge.«
»In dem Zimmer war sie aber gar nicht.«
»Ich würde nur ungern stören, also nehmen wir das Nebenzimmer.«
»Das ist besetzt.«
»Dafür ist es aber ziemlich still.«
»Ich hab Sie gewarnt.«
»Machen Sie die Tür auf.«
»Die ist abgeschlossen.«
»Dann sorgen Sie dafür, dass sie geöffnet wird.«
Er klopfte an die Tür, als hätte er Angst, eine schlafende Prinzessin zu wecken.
»Das können Sie bestimmt besser, Jorge.«
Doch die Tür wurde
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